Konsequenzen aus der Coronakrise: die neu berufene „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm erwartet Systemwechsel.

Veronika Grimm, von der Bundesregierung neu in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berufene „Wirtschaftsweise“ sagt in der Mittwochsausgabe der „Süddeutschen Zeitung“, dass Arzneimittel oder Schutzausrüstungen künftig wohl verstärkt im Inland hergestellt würden anstatt sich wie bisher auf die Funktionsfähigkeit von vollständig im Ausland verlaufenden Lieferketten zu verlassen.

Die Energieökonomin geht auch davon aus, dass der Klimaschutz in Zukunft eine bedeutendere Rolle einnehmen wird. Das Thema Klimaschutz sei möglicherweise sogar in der Lage, die nach der Coronakrise erforderliche Wiederbelebung der Wirtschaft zu tragen. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft habe mit dem „Green Deal“ volkswirtschaftliche Veränderungen angestoßen, die auch für die Industrie Deutschlands große Zukunftspotenziale eröffneten.

Vor der Corona-Pandemie, so Grimm, standen die Unternehmen hinsichtlich klimaneutraler Technologien und Produkte bereits „in den Startlöchern.“ Auf die vorhandene Innovationsdynamik könne man aufbauen und sie nutzen, um die Ökonomie wieder zu aktivieren.

Die Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg befürwortet außerdem verbindliche Frauenquoten in wichtigen Gremien einschließlich von Firmenvorständen. Dann nämlich könnten sowohl Männer als auch Frauen ihre Expertise zur Geltung bringen, so dass verschiedene Herangehensformen deutlicher erlebbar würden.

Bezüglich des Ausstiegs aus den zur Bekämpfung der Pandemie ergriffenen Maßnahmen spricht sich die Volkswirtschaftlerin für eine schrittweise Wiedereröffnung von Betrieben, Schulen und öffentlichem Alltagsleben aus. Zunächst einmal sei es darum gegangen, effektive Schritte gegen die Corona-Virus-Verbreitung zu ergreifen. Dies sei natürlich nur auf Basis der Erfahrungen von Virologen möglich gewesen. In die Entwicklung wirtschaftspolitischer Programme habe man dann Wirtschaftswissenschaftler einbezogen.

Um einen dauerhaft tragfähigen Umgang mit der Corona-Epidemie sicherzustellen, ist es nach Überzeugung der Professorin notwendig, die Sichtweisen unterschiedlichster Fachdisziplinen einzubeziehen. Grimm selbst beteiligt sich an einer aus Juristen, Ökonomen, Sozialwissenschaftlern, Ethikern, Epidemiologen und Virologen zusammengesetzten Expertengruppe, die zur Bewältigung der Krise geeignete Maßnahmen entwickelt. Ziel sei die Ausarbeitung eines Stufenplans, der verschiedenste Aspekte parallel berücksichtigt.

Wolle man beispielsweise der Bevölkerung auferlegte Beschränkungen wieder aufheben, ohne jedoch Fragen des Gesundheitsschutzes zu vernachlässigen, dann müsse man nach Angehörigen bestimmter Personengruppen, nach Sachbereichen und nicht zuletzt regional differenzieren.

Die multidisziplinäre Expertengruppe, der Grimm als Ökonomin angehört, werde Kriterien vorschlagen, auf deren Grundlage Entscheidungen darüber getroffen werden sollten, an welchen Stellen erste Lockerungen möglich seien. Eine in diesem Zusammenhang zu beantwortende Frage ziele beispielsweise auf die Höhe des Ansteckungsrisikos. An Orten, in denen nur ein geringes Ansteckungsrisiko bestehe, könne der Weg zum gewohnten Alltagsleben rascher erfolgen, so zum Beispiel in automatisierten Produktionsanlagen und in Regionen mit einer geringen Anzahl von Infizierten, sagte die neu berufene „Wirtschaftsweise“.

Redaktion poppress.de, A. Camus