Die Corona-Pandemie setzt anscheindend große Teile der Steuerfahndung außer Gefecht.

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet in ihrer Montagsausgabe unter Berufung auf eigene Quellen von Dienstanweisungen in mehreren Bundesländern, nach denen zum Schutz vor einer möglichen Corona-Infektion Durchsuchungen nur noch in besonderen Fällen erfolgen sollen. Auch Vernehmungen von Zeugen und Verdächtigen sollen nur noch ausnahmsweise stattfinden. Zudem klagen Ermittler über nicht ausreichende Technik, die die Arbeit im Home Office schwieriger mache.

Bereits Mitte März hatte das bayerische Landesamt für Steuer verfügt, Razzien und Vernehmungen nur noch in begründeten Ausnahmefällen durchzuführen. Anscheinend wird aber erst jetzt ein Hygienekonzept erstellt, das Durchsuchungen allgemein wieder ermöglichen soll. Auf Anfrage der „Süddeutschen Zeitung“ teilte das bayerische Finanzministerium mit, die Anschaffung von Schutzkleidung laufe. Wenn der Schutz aller beteiligten Personen sichergestellt sei, könne der Außensienst ohne besondere Beschränkungen wieder aufgenommen werden. Man gehe davon aus, dass dies bald der Fall sein werde. Im Falle von Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr oder bei drohender Verjährung fänden Razzien aber auch weiterhin unverändert statt, so das Ministerium. Hinsichtlich der technischen Ausstattung , so die Behörde weiter, könne es im Home-Office nur in Einzelfällen zu geringfügigen Einschränkungen kommen.

Steuerfahnder aus verschiedenen Ländern hatten laut der „Süddeutschen Zeitung von anderen Erfahrungen berichtet.:Von zu Hause aus könne man nicht auf die Laufwerke der jeweiligen Behörden mit Ermittlungsdaten zugreifen, weil es nicht genügend sichere Zugängen gebe. Ermittlungsteams müssten sich einen Zugang wöchentlich abwechselnd teilen, Staatsanwälte seien per Mail mitunter tagelang gar nicht zu erreichen, da sie zuhause keinen sicheren Zugriff auf ihre Rechner hätten. Von Finanzbeamten im Home-Office bekomme man bei der Bitte um Auskünfte eines zuständigen Finanzamtes derzeit oft nur zu hören: „Warten Sie, bis wir wieder im Dienst sind“. Ein Beamter klagte, Corona mache deutlich, „wie veraltet unsere IT-Infrastruktur“ sei. Ein „sicher laufenes System“ habe man nicht zur Verfügung. Man habe noch nicht einmal die erforderliche technische Ausstattung, um Zeugen per Video befragen und die Aussagen speichern zu können. All das erschwere die Aufklärung und nutze den Tätern. „Die da draußen wissen, dass uns derzeit die Hände gebunden sind“, klagte ein Ermittler.

Konstantin von Notz, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90 / DieGrünen und ehamaliger netzpolitischer Sprecher seiner Partei, erklärte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, zu einem „Stillstand der Rechtspflege“ dürfe es nicht kommen. Seine Partei verlangt, Justiz und Polizei für das digitale Zeitalter bereit zu machen. Hierzu seien unter anderrem klare Regeln für die Arbeit im Home-Office und für Videokonferenzen sowie auch die notwendige moderne Technik mitsamt sicherer Verschlüsselung erforderlich. Die Corona-Krise zeige Versäumnisse auf, die so schnell wie möglich aufzuholen seien, sagte Konstantin von Notz.

Redaktion poppress.de, A-1010413