Bernd Fitzenberger, der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, befürchtet das Entstehen einer „Generation Corona“ mit lebenslangen Nachteilen.

Fitzenberger sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ für die am Freitag erscheinenden Ausgaben seiner Zeitungen, „im ungünstigsten Fall“ drohe tatsächlich eine Generation Corona zu entstehen, in der viele junge Menschen nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung eine Ausbildung beginnen. „Die Zahl derer, die ohne abgeschlossene Berufsausbildung bleibt“, könne in den betroffenen Jahrgängen höher ausfallen als in anderen, und dies könne sich auf den gesamten Lebenslauf auswirken.

Bei einer Betrachtung der aktuellen Lage auf dem Ausbildungsmarkt in der Corona-Krise ergebe sich kein klar umrissenes Schwarz-Weiß-Bild, erläuterte der Volkswirt weiter. Trotz der Wirtschaftskrise habe die „große Katastrophe“ bis jetzt nicht stattgefunden. Zwar sei die Zahl der offenen Ausbildungsstellen deutlich zurückgegangen, gleichzeitig gebe es aber auch weniger Bewerber als sonst. „Es gibt jedes Jahr junge Menschen, die unsicher sind, was sie machen sollen“, stellte Fitzenberger fest. Viele dieser Menschen hätten sich jetzt dazu entschieden, lieber noch ein weiteres Jahr zur Schule zu gehen. Es bestehe aber die Gefahr, dass im nächsten Jahr eine „Krise auf dem Ausbildungsmarkt“ entstehen könne. Denn dann würden diejenigen, die in diesem Jahr noch auf der Schule geblieben seien, zeitgleich mit den anderen Bewerbern auf dem Ausbildungsmarkt erscheinen. Die könne zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem „das Angebot an Ausbildungsplätzen“ möglicherweise „noch einmal verknappt“ sein werde, warnte der Direktor des IAB.

Auch der Soziologe und Jugendforscher Klaus Hurrelmann warnt. Er erklärte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, in der Corona-Krise erlebten Schüler, Studenten und Absolventen eine plötzliche Veränderung, die nur schwer zu verarbeiten sei. Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels habe noch vor kurzer Zeit, vor Corona, die klare Botschaft an die jungen Menschen gelautet: „Wer jetzt fertig wird, der hat freie Bahn“. Dies habe sich von jetzt auf gleich geändert. „Die Sicherheit, das Gefühl, die Welt habe auf einen gewartet, die in jeder Hinsicht optimistischen Perspektiven“, die die Jugend gerade noch gehabt habe, sei „für die Generation Corona urplötzlich wieder weg“, so Hurrelmann. Für viele Betroffene sei dies wie „ein Schlag in die Magenkuhle“. Auch für die Gesellschaft insgesamt könne hier etwas verloren gehen. Die junge Generation sei eine sehr politische, die „in der Klimadebatte wichtige Impulse“ gebe, sagte der Jugendforscher. Eine sichere Perspektive für den eigenen Ausbildungsweg zu haben, sei die Basis für dieses Engagement der jungen Menschen. Der innere Kern der „Fridays-For-Future“-Bewegung werde sicherlich aktiv bleiben, ist sich Hurrelmann sicher, auch wenn die Corona-Epidemie aktuell die Aktivitäten der Gruppe erheblich einschränke. Aber bei vielen Menschen, die die Bewegung vor Corona auch zahlenmäßig stark gemacht hätten, sei es naheliegend, dass sie sich nun zunächst um sich selbst kümmerten.

Redaktion poppress.de, A-1010413