Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, weist die nationalen und internationalen Kritiker des Urteils über die Rechtmäßigkeit von europäischen Anleihen zurecht.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Ankäufe von Anleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist kein Rückfall in nationale Egoismen, sondern ein wichtiger Schritt für eine rechtliche Verankerung der Entscheidungen europäischer Instanzen, betont Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts im Interview mit der Redaktion der Wochenzeitschrift „Die Zeit“. Das Verfassungsgericht schränkt nicht die Handlungsfähigkeit der europäischen Zentralbank ein, sondern fordert die Rechtmäßigkeit der Aktivitäten ein. Dies wird sich mittel- und langfristig auszahlen, ist sich der Jurist sicher.
Trotz der nationalen und internationalen Kritik, verteidigt der Verfassungsrichter das Urteil vehement. Das Europarecht steht nicht über der Verfassung und Entscheidungen, die das europäische Recht betreffen müssen nicht automatisch in der Kompetenz des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) liegen. Die nationalen Verfassungsgerichte haben die Aufgabe in den Fällen einzugreifen, in denen europäische Institutionen sich über geltende Rechtsrahmen hinwegsetzen. Dies ist keine Anmaßung der nationalen Gerichte, sondern deren legitime Funktion, unterstreicht Voßkuhle. Der Widerspruch zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof bedeutet nicht, dass wir uns über den EuGH hinwegsetzen, sondern es ist ein Stück Alltagrealität, dass Gerichte unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das Verfassungsgerichtsurteil ist ein Kommunikationsangebot an die EU, offene Fragen im Konsens zu klären. Die Entscheidung im Fall der EZB-Anleihen präjudiziert auch keine Aussetzung europäischen Rechts. Der Kritik, dass das deutsche Urteil zu einer Stärkung nationaler Tendenzen in Polen oder Ungarn beitragen könnte, widerspricht der Verfassungsgerichtspräsident gegenüber der „Zeit“ entschieden. Wir treffen keine politischen Entscheidungen, sondern orientieren uns an den gültigen Rechtsnormen. Deshalb unterliegt die Arbeit des Verfassungsgerichts auch nicht Aspekten einer europäischen, politischen Strategie. Das Urteil hat demnach keinen Zusammenhang mit den separatistischen Tendenzen in einigen Mitgliedsstaaten der EU. Die Polen und Ungarn haben ihre Interessen, und darauf hat das Verfassungsurteil keinen Einfluss, argumentiert der Jurist.

Redaktion poppress.de, NeoMatrix