Erstmals seit über einem Jahrzehnt steigt die Anzahl der Arbeitnehmer, die ihren Lohn durch Bürgergeld ergänzen müssen.

Laut einem unveröffentlichten Bericht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), über den die Funke-Mediengruppe berichtet, verzeichnete Deutschland im letzten Jahr einen Anstieg der sogenannten Aufstocker um etwa 30.000 Personen. Zuvor war die Zahl kontinuierlich von 1,4 Millionen im Jahr 2010 auf unter 800.000 im Jahr 2023 gesunken. Die Analyse des IW, basierend auf Daten der Bundesagentur für Arbeit, zeigt, dass der Anstieg um 21.000 Bürgergeld-Bezieher mit Erwerbstätigkeit zwischen November 2023 und November 2024 hauptsächlich auf eine Zunahme ausländischer Arbeitskräfte zurückzuführen ist, während die Zahl der deutschen Leistungsempfänger um fast 7.000 sank. Laut Holger Schäfer vom IW Köln könnte dies darauf hindeuten, dass viele Ausländer es schafften, aus der Arbeitslosigkeit in eine Beschäftigung zu wechseln, die jedoch den Haushaltsbedarf nicht vollständig deckte. Schäfer sieht dies als Teilerfolg, da Bedürftige zumindest teilweise ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren. Allerdings offenbart die Statistik auch Reformbedarf beim Bürgergeld, insbesondere hinsichtlich der Anreize für eine Vollzeitarbeit. Die Union kritisierte die aktuelle Lage als Symptom eines ungerechten Systems, das Mehrarbeit nicht ausreichend belohnt. Kai Whittaker betonte die Notwendigkeit, die Hinzuverdienstgrenzen und Transferentzugsraten zu reformieren, um Eigenverantwortung zu fördern. Der Bericht zeigt zudem, dass 80.000 der 800.000 Aufstocker trotz Vollzeitbeschäftigung auf Bürgergeld angewiesen sind, oft aufgrund der Haushaltsgröße. Zwei Drittel dieser Vollzeitbeschäftigten sind alleinerziehend oder leben in Haushalten mit Kindern. Dirk Wiese von der SPD sieht darin ein Zeichen für die Dringlichkeit eines höheren Mindestlohns. Die SPD plant, die soziale Unterstützung besser zu gestalten, ohne Gruppen gegeneinander auszuspielen. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgelegt, das Bürgergeld zu einer neuen Grundsicherung umzugestalten, die Arbeitsvermittlung und Betreuung stärken soll.

Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zeigt, dass wirtschaftliche Unsicherheiten und unzureichende Löhne immer mehr Menschen zwingen, zusätzliches Einkommen durch Sozialleistungen zu beziehen. Laut Eurostat-Daten sind die Lebenshaltungskosten in Deutschland im letzten Jahr gestiegen, was den Druck auf Geringverdiener weiter erhöht. Die OECD wies darauf hin, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der Lohnungleichheit relativ hoch liegt, was die Notwendigkeit von Reformen im Sozialsystem unterstreicht. Die Debatte um den Mindestlohn ist in vollem Gange, wobei einige Experten vorschlagen, ihn an die Inflation zu koppeln, um den Lebensstandard der Arbeitnehmer zu sichern.

Redaktion poppress.de, kgause