Diei CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich gegen Forderungen von Wirtschaftspolitikern ihrer eigenen Partei ausgesprochen, wegen der Corona-Krise den Mindestlohn in Deutschland abzusenken oder zumindest die für das nächste Jahr vorgesehene Erhöhung auszusetzen.

BERLIN – Der Bund und die Länder haben sich am Dienstagabend im Prinzip darauf geeinigt, die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Krise, also die Regelungen, wie viele Personen sich wo treffen dürfen, noch mindestens bis zum 29. Juni aufrecht zu erhalten. Die gemeinsame Vereinbarung lässt aber auch einige Punkte offen und in der Schwebe, und im genauen Wortlaut der Erklärung lässt sich erkennen, dass die einzelnen Länder bei dem Thema schon lange einen eigenen Kurs eingeschlagen haben.

DRAUSSEN MAXIMAL ZEHN PERSONEN – DRINNEN FEIERN OHNE LIMIT

Der jetzige Kompromiss wurde vom Bundeskanzleramt und den Staatskanzleien der Bundesländer ausgehandelt. In einem gemeinsamen Papier zu dem Beschluss heißt es unter anderem, um das Risiko einer Infektion zu minimieren, würden die beschlossenen, „verbindlichen Kontaktbeschränkungen“ zumindest noch bis zum 29. Juni weiterhin gelten. Die Länder haben aber die Möglichkeit, den gemeinsamen Aufenthalt von Personen in der Öffentlichkeit von bis zu maximal zehn Personen oder auch den Angehörigen zweier Haushalte zu gestatten. In Erklärungen, die zu Protokoll gegeben und an das Papier angehängt wurden, stellen einzelne Länder allerdings bereits klar, dass sie hiervon abzuweichen gedenken.

In ihrem Beschluss haben der Bund und die Länder außerdem auf die Festlegung einer Obergrenze zur Anzahl der Personen, die zu privaten Feiern zusammentreffen dürfen, verzichtet. Festgehalten wird hierzu nur, dass bei „privaten Zusammenkünften“ daheim „in geschlossenen Räumen“ die Abstands- und die Hygieneregeln eingehalten werden sollen und dass die Zahl der teilnehmenden Personen sich an den räumlichen Möglichkeiten zur Einhaltung der Abstandsregel orientieren solle.

WAS HEISST DAS IN DER PRAXIS?

Für die Bürger ist es nun noch wichtiger als ohnehin bereits schon zuvor, die Planungen und Regeln ihres jeweiligen Bundeslandes im Auge zu behalten. Um so mehr gilt dies bei Reisen im Bundesgebiet. Im gemeinsamen Beschluss von Bund und Ländern hat zum Beispiel der Freistaat Thüringen zu Protokoll gegeben, er behalte es sich vor, eigene Regelungen für den Aufenthalt von Personen in der Öffentlichkeit zu erlassen, die vom gemeinsamen Beschluss abweichen, und er halte es bei privaten Treffen auch für denkbar, vollständig auf irgendwelchen Beschränkungen des Kontaktverhaltens zu verzichten.

Hingegen hat etwa Hessen zu Protokoll gegeben, es werde zunächst einmal an der bisher bundesweit geltende Beschränkung auf Personen alleine oder gemeinsam mit einer weiteren Person oder mit Angehörigen des eigenen und eines weiteren Haushaltes festhalten. Auch Niedersachsen stellt klar, wie aus dem Papier zu lesen ist, es bleibe wie auch bisher bei seiner auf Personen aus zwei Haushalten beschränkten Regelung.

Zudem haben bereits mehrere Landesregierungen umfangreiche weitere Lockerungen etwa für Familienfeiern, Kultur, Sportveranstaltungen und die Schulen beschlossen.

MASKENPFLICHT UND ABSTANDSZWANG

Anscheinend sind sich der Bund und die Länder in dieser Frage noch am ehesten einig. Aus dem Beschlusspapier des Bundeskanzleramts und der Staatskanzleien der Länder geht hervor, dass die Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin prinzipiell einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zueinander einzuhalten haben, um eine Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern und sich sowie andere vor einer Infektion zu schützen. Die Formulierung „Mindestabstand von 1,5 Metern“ ist hierbei fettgedruckt. Weiter heißt es in dem Papier, diese Maßnahme werde durch durch eine Pflicht zum Tragen von Masken in „bestimmten öffentlichen Bereichen“ ergänzt, die aber nicht weiter definiert sind.
Ankündigungen aus einzelnen Ländern, die Masken-Vorschrift zum Beispiel in Geschäfte oder in Bussne und Bahnen aufzuheben, gab es bisher noch nicht.

DIE LÄNDER HATTEN IMMER DIE KONTROLLE

Verlieren der Bund und vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun immer mehr die Kontrolle über die Corona-Bekämpfung? Es sieht so aus, aber formal waren es von Anfang an eh immer die Bundesländer selbst, die zu entschieden hatten, welche sie in der Epidemie unternehmen wollten. Sie sind im föderal aufgebauten System der Bundesrepublik Deutschland für die meisten Dinge von Kita über Schule, den Tourismus und das Polizeiwesen selbst und eigenverantwortlich zuständig. Am Anfang der Corona-Epidemie hatten sich aber, weil die Situation neu und bedrohlich war, alle Länder auf ein großenteils einheitliches Vorgehen verständigt und der Kanzlerin und ihrer Bundesregierung damit – auch optisch, in der öffentlichen Wahrnehmung – eine Führungsrolle zugewiesen, die es faktisch nicht gab. Es kam auch zu Dominoeffekten: Wenn ein Land mit einer Maßnahme vorangeschritten war, wie etwa mit der Schließung von Schulen und Kitas, dann zogen andere nach, wodurch immer der Eindruck eines einheitlichen Handels entstand. Mit den Lockerungen verhält es sich nun ebenso, aber entgegengesetzt.

Mit der vorübergehenden scheinbaren Einheit der Länder war es spätestens am 6. Mai vorbei, am Tag der letzten Konferenz zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten. Dort wurde beschlossen, dass die Länder und ihre jeweiligen Behörden nun wieder mehr in eigener Verantortung entscheiden sollen. Das war zu diesem Zeitpunkt aber bereits längst der Fall.

NEUINFEKTIONEN TROTZ DER LOCKERUNGEN GERING

Viele Beobachter der Entwicklung fragen sich sicher: Warum ist die Zahl der Neuinfektionen trotz der weitreichenden Lockerungen auf niedrigem Niveau geblieben? Täglich werden aktuell nur ein paar Hundert neue Ansteckungen registriert. Anfang des letzten Monats waren es noch mehrere Tausend Fälle an jeden Tag. Die Gesamtzahl der offiziell registrierten Infektionen beträgt mittlerweile etwa 180.000 Fälle.

Das Verhalten der einzelnen Menschen habe sich bereits vor der Einführung der Maßnahmen verändert, unterstreicht die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Aus Furcht vor einer möglichen Infektion mit dem Corona-Virus seien viele Menschen bereits weniger ausgegangen, und dadurch habe die Reproduktionszahl bereits abgenommen, bevor irgendwelche Beschränkungen auch ganz offiziell eingeführt wurden. Brinkmann stellte fest, auch jetzt gingen |noch nicht alle gleich wieder normal einkaufen“. Ihr zufolge hat auch die Maskenpflicht ihre Wirkung gehabt. Ihr Berufskollege, der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, sieht im Wesentlichen drei Gründe für die geringen Infektionszahlen: der Ausfall von Großveranstaltungen, die erlassenen Hygieneregeln sowie die Einhaltung der Abstandsregeln.

Redaktion poppress.de, A-1010413