Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasiunterlagen, ruft zur Solidarität mit Oppositionsgruppen in Belarus auf.

Jahn sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland für dessen Mittwochausgaben (9. September 2020), dass viele der derzeitigen Vorgänge in Belarus an die späte Phase der DDR etwa im Frühjahr 1989 erinnern würden. Es sei daher jetzt ganz wichtig, die demokratische Opposition zu unterstützen. Die mutigen Menschen sollten in Belarus nun Zuspruch erhalten. Auch Mutige würden Ermutigung benötigen, so Jahn, der in der DDR in politischer Haft gesessen hatte. Er berichtete davon, wie wichtig für ihn damals das Wissen gewesen sei, dass in der Bundesrepublik Unterstützer für ihn eintraten, sich um Hafterleichterungen kümmerten und sogar eine Patenschaft durch Amnesty International für ihn organisieren konnten. Roland Jahn galt vor 1989 als einer der mutigsten ostdeutschen Dissidenten. Nun fordert er die deutsche Zivilgesellschaft zur bekennenden Solidarität mit der Oppositionsbewegung in Belarus auf. Gleichzeitig unterstrich er die Bedeutung der klaren Statements vonseiten der EU und der deutschen Regierung bezüglich der aktuellen Vorgänge in Belarus.

Jahn verwies darauf, dass die deutsche Gesellschaft nun ein öffentliches Bewusstsein für die Wahrung der Menschenrechte in Belarus entwickeln müsse. Jedermann solle sich bewusst machen, dass man es nicht hinnehmen könne, wie die Regierung in Belarus tagtäglich Menschenrechtsverletzungen mitten in Europa begehe. Man dürfe gegenüber Diktatoren wie Lukaschenko keinesfalls naiv auftreten. Mit seinen Verhaftungswellen und dem brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten würde er beweisen, dass für ihn Gewalt das Mittel sei, um Angst zu verbreiten. Diese Angst wiederum sei der entscheidende Kitt einer jeden Diktatur, so Jahn. Es komme nun darauf an, dass die Menschen in Belarus ihre Angst trotz der andauernden Repression nach wie vor überwinden könnten. Dabei sei Solidarität aus dem Ausland sehr hilfreich.

Vor dem Hintergrund der Vergiftung von Alexej Nawalny riet Roland Jahn zudem zu einer starken Haltung gegenüber Putin. Experten vermuten, dass der russische Staatschef und ehemalige KGB-Mann vom Giftanschlag gegen den russischen Oppositionellen zumindest wusste, ihn wahrscheinlich billigte und ihn möglicherweise sogar initiierte. Das würde zu traditionellen KGB-Taktiken passen, die Putin wahrscheinlich zutiefst verinnerlicht hat. Daher mahnte Jahn, das Wesen des modernen russischen Staates realistisch zu beurteilen: Dieser sei eine Autokratie. Solchen Staaten gegenüber dürfe man nicht blauäugig agieren. Der Stasiunterlagenbeauftragte äußerte sich erschrocken über die Tatsache, dass auch einige deutsche Gruppierungen Putin politische Sympathien entgegenbringen. Dieser habe in Russland Unrecht zu verantworten. Man solle daher auch mit russischen Menschenrechtsaktivisten in permanentem Kontakt bleiben, so Jahn.

Redaktion poppress.de, A-055824