Dirk-Martin Christian, der Präsident des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, geht davon aus, dass der Beschluss einer Impfpflicht in Deutschland zu einer weiteren Radikalisierung von Impfgegnern führen würde.

Die aktuell in der Politik geführte Diskussion um die Einführung der Impfpflicht zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie werde als Rechtfertigung für Verleumdungen und Gewalt-befürwortende Aussagen benutzt, erklärte Christian der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Die Welt“. Er fügte hinzu, es erschrecke ihn, in welchem Ausmaß Menschen die verbreiteten Aufrufe zur Mobilisierung befolgten.

Christian erläuterte, der sächsische Verfassungsschutz nehme gegenwärtig eine klare Zunahme der Gewalt bei Protesten gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen wahr. Hieraus müsse man folgern, dass die Zahl physischer Angriffe sowohl gegen Personen als auch gegen Einrichtungen im Zusammenhang mit der Corona-Politik auch in Zukunft deutlich ansteigen werde. Besonders die Radikalisierung potenzieller Einzeltäter im Internet bereite in diesem Kontext Sorgen. Denn schon seit Monaten hielten sich die „Akteure der Protestszene“ im Netz vor allem in „geschlossenen virtuellen Kreisen“ auf. Ein Ende der Gewaltspirale, so der Behördenleiter, sei momentan nicht in Sicht.

Darüber hinaus sei festzustellen, dass sich die verbale Radikalisierung, die bisher in der virtuellen Welt zu beobachten gewesen sei, immer mehr „zu einer Aktionsorientierung“ in der realen Welt entwickle. Als Beispiel nannte Christian, der den Landesverfassungsschutz Sachsen seit Juli 2020 leitet, den Fackelaufmarsch von Impfgegnern vor dem privaten Wohnhaus der sächsischen Staatsministerin für Soziales, Petra Köpping (SPD), in Grimma in der vergangenen Woche. „In SA-Manier“, wie der Verfassungsschutzchef betonte.

Der 1962 in Bonn geborene Christian berichtete der „Welt“ weiter, im Laufe der vergangenen Wochen habe es in Sachsen bereits wiederholt Angriffe auf Impf- und Testzentren sowie Bedrohungen und Verleumdungen von Amts- und Mandatsträgern gegeben. Er sagte, er müsse feststellen, bei Protestteilnehmern aus dem als „bürgerlich“ geltenden Milieu seien keine Tendenzen zu einer deutlichen Distanzierung von Extremisten und ihren verfassungsfeindlichen Absichten zu erkennen. Vor allem Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter, so Christian, instrumentalisierten bereits seit dem Beginn der Pandemie die Proteste gegen die Corona-Politik.

Nach Morddrohungen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) im Internet-Kommunikationsdienst Telegram im Zusammenhang mit der Impfpflicht-Debatte kam es am heutigen Mittwoch zu Razzien in mehreren Objekten in der Landeshauptstadt Dresden und der Umgebung. Da Aussagen einzelner Mitglieder der Messenger-Gruppen vermuten ließen, dass sie im Besitz von Waffen seien, seien an den Durchsuchungen auch Spezialkräfte des Landeskriminalamtes beteiligt gewesen, teilte die Polizei im Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Redaktion poppress.de, A-1010413