Mit der geplanten Übernahme von Varian in der Höhe von 16,4 Milliarden Dollar will Siemens Healthineers sein Geschäft im Bereich der Forschung ausbauen.

Siemens Healthineers als Konzern im Bereich der Medizintechnik will das Geschäft mit der Krebsforschung sowie der Krebstherapie durch die Übernahme in Milliardenhöhe deutlich ausbauen. Healthineers plant, den US-Konzern Varian mit 16,4 Milliarden Dollar, umgerechnet 14 Milliarden Euro, zu kaufen. Es handelt sich um die bis heute größte Übernahme in der Unternehmensgeschichte. Siemens als Konzernmutter stellt eine Brückenfinanzierung bereit und Healthineers plant eine Kapitalerhöhung. Damit könnte der Tochter von Siemens der Aufstieg in den Dax bevorstehen. Bereits seit dem Jahr 2012 verbindet Varian mit Healthineers eine strategische Partnerschaft.

Der Vorstand des US-Konzerns hat dem Plan zugestimmt und den Anteilseignern die Empfehlung zur Annahme der Offerte ausgesprochen. Die Übernahme steht unter dem Vorbehalt von der Zustimmung durch die Regulierungsbehörden und wird voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2021 abgeschlossen, teilte Healthineers am Sonntag in Erlangen mit. Konzernchef Bernd Montag sagte, Healthineers würde damit einen nicht unerheblichen Sprung nach vorne machen. In einer Telefonkonferenz nannte er den Preis als „vernünftig“; Varian würde über eine hohe Innovationskraft und ein stabiles Geschäft verfügen. Die Aktionäre von Varian müssen ebenfalls einer Übernahme zustimmen und sollen 177,50 Dollar pro Aktie erhalten. Dies entspricht ungefähr einem Viertel im Vergleich dazu, was diese am Freitagabend gekostet hat.

In der Annahme des durchschnittlichen Kurses von den vergangenen dreißig Tagen wird die Prämie am Montag bei rund 42 Prozent liegen. Mit einer operativen Marge von 17 Prozent setzte Varian im letzten Geschäftsjahr rund 3,2 Milliarden Dollar um. Healthineers sieht durch den Zukauf beim operativen Ergebnis (EBIT) bis in das Geschäftsjahr 2025 Synergien von mindestens 300 Millionen Euro jährlich. Der Finanzvorstand Jochen Schmitz sagte, diese dürften in den Folgejahren nochmals „signifikant“ steigen. Varian soll zudem innerhalb von den ersten zwölf Monaten nach dem Vollzug positiv zum bereinigten Ergebnis pro Aktie beitragen. Healthineers will die Finanzierung ungefähr zur Hälfte über neues Eigenkapital und zur anderen Hälfte über Kredite abwickeln. Das neue Eigenkapital wollen sich die Erlanger über die Ausgabe für neue Aktien beschaffen. Der Mutterkonzern Siemens stelle so 15,2 Milliarden Euro in Form eines Brückenkredites bereit, während Healthineers diese bis zu der Hälfte mit einer Kapitalerhöhung ersetzen will. Das Bezugsrecht von den Aktionären soll dabei voraussichtlich zum Ausschluss kommen.

Das Unternehmen müsste, gemessen am aktuellen Kurs, zur Refinanzierung vom halben Kredit rund 170 Millionen neue Aktien ausgeben, was einer Steigerung des Aktienkapitals von 17 Prozent entspricht. Der Wert könnte auch höher ausfallen, da eine Erhöhung des Kapitals mit diesem Volumen in der Regel auf den Kurs drückt. Hinzu kommt, dass der Mutterkonzern Siemens keine neuen Anteile kaufen will. Das Eigenkapital darf in einem Schritt nicht mehr als 10 Prozent steigen, damit die Ausgabe der neuen Anteile ohne das Recht eines Bezuges über die Bühne gebracht werden kann, sodass Siemens die Platzierung von Healthineers deshalb vermutlich aufteilen muss. Der Konzern selbst hat angekündigt noch im Jahr 2020 in einem ersten Schritt, abhängig von den Konditionen auf dem Markt, prospektfrei neue Aktien anzubieten. Jochen Schmitz hat erklärt, dass vorerst der Beschluss zum genehmigten Kapital ausgeschöpft werde und sich Healthineers im Nachgang an der Hauptversammlung für den Rest von der Kapitalerhöhung die Genehmigung holen könne. Die Übernahme wurde von Siemens begrüßt. Die Münchner teilten am Sonntag mit, dass durch die geplante Kapitalerhöhung der Anteil von Siemens an der Tochter von Erlangen von 85 Prozent auf ungefähr 72 Prozent sinken werde. Der Konzern teilte zudem mit, dass das zusätzliche fremde Kapital extern durch die finanzstarke Muttergesellschaft Siemens in der Form von Anleihen aufgenommen und über Darlehen innerhalb des Konzerns zu den marktüblichen Bedingungen an Healthineers weitergegeben werden sollen. Zu diesem Zweck strebt Siemens den Erhalt des A+/A1-Ratings an. Healthineers will die steigende Verschuldung so schnell wie möglich wieder senken. Der Vorstand der Finanzen zeigte sich zuversichtlich, dass die hohe Generierung der Mittel für die Fusionierung einen raschen Abbau ermöglichen würde. Joe Kaeser, Chef von Siemens, sagte, dass die Akquisition Healthineers entscheidend voranbringen werde und fügt hinzu, dass ein solcher transformatorischer Schritt in der Konglomeratsstruktur der vorherigen Siemens AG nicht möglich gewesen wäre. Gemäß dem Stellvertreter von Joe Kaeser und designiertem Chef des Konzerns Roland Busch, wird Siemens an Healthineers als langfristiger Mehrheitsaktionär beteiligt bleiben. Im Jahr 2018 ist Healthineers an die Börse gegangen und mit den 50.000 Mitarbeitenden bis jetzt gut angekommen.

Die Aktie kostete zuletzt knapp 44 Euro und hat damit nur knapp unter dem Rekordhoch von Mai 2020 mit etwas mehr als 47 Euro gelegen. Derzeit liegt die Bewertung bei rund 44 Milliarden Euro. Damit befindet sich die Aktie im Segment des Mittelwertes. Durch das zu erwartende höhere Handelsvorlumen sowie den steigenden Streubesitz wird Healthineers auch die Aufnahme in den DAX in Aussicht gestellt. Der Konzernchef sagte, dass dies nur eine Frage der Zeit sei und Jochen Schmitz führte aus, dass ein Aufstieg spätestens bei der nächsten regulären Überprüfung vom Index durch die deutsche Börse möglich sei. Zudem hat Healthineers die Veröffentlichung des Quartalsberichts um einen Tag vorgezogen. Das Unternehmen wagt nun wieder eine Prognose für das gesamte Geschäftsjahr und rechnet in den letzten drei verbleibenden Monaten des Jahres für das Geschäftsjahr 2019/2020 nach der Schwäche, bedingt durch Covid-19, wieder mit deutlich besseren Geschäften. Bernd Montag sagte, dass, im Vergleich zum dritten Quartal, für das vierte Quartal eine deutliche Verbesserung der Geschäftsentwicklung zu erwarten sei. Der Finanzvorstand erklärte, die Unternehmung habe „die Talsohle hinter sich gelassen“ und die Volumen der Untersuchungen und Tests hätten sich weitgehend vom Tiefstand erholt. Aufgrund der neuen Prognose rechnet Healthineers am Ende des Geschäftsjahres 2020, welches im September ausläuft, auf vergleichbarer Basis mit einem stabilen Umsatz, mit anderen Worten kein Übernahme- und Währungseffekt. Der Gewinn, bereinigt um die Sondereffekte, soll pro Aktie, gegenüber dem Vorjahr mit 1,70 Euro, zwischen 1,54 und 1,62 Euro liegen. Healthineers hatte ursprünglich mit einem Anstieg von beiden Werten gerechnet, die Prognose aufgrund der Unsicherheiten durch Covid-19 jedoch Anfang Mai 2020 zurückgezogen. Im Vergleich zum Abschnitt des Vorjahres ging der Umsatz im dritten Quartal auf 3,31 Milliarden Euro zurück was einem Prozentsatz von 7,2 Prozent entspricht. Der Rückgang auf vergleichbarer Basis beträgt 6,9 Prozent.

Durch die Krise von Covid-19 wurde insbesondere das Geschäft in der Diagnostik belastet, weil das Aufkommen von Test für Routine-Untersuchungen gesunken ist. Die Rückgänge sind in der Präzisionsmedizin sowie in der Bildgebung deutlich geringer ausgefallen. Das EBIT wurde um die Sondereffekte bereinigt und ist um 15 Prozent auf 461 Millionen Euro gefallen. Healthineers hat nach Steuern 271 Millionen Euro verdient. Im Vorjahr belief sich der Verdienst auf 353 Millionen Euro. Der Konzern hat damit die Erwartungen von Experten beim operativen Ergebnis übertroffen und beim Umsatz erfüllt.

Redaktion poppress.de, Ever True Smile