Berlin ist nach einer Einschätzung des BKA (Bundeskriminalamt) die westeuropäische Drehscheibe vietnamesischer Menschenhändler.

Zu dieser Einschätzung kam der BKA-Referatsleiter Menschenhandel Carsten Moritz, mit dem der Rundfunk Berlin-Brandenburg gesprochen hatte. Moritz erwähnte ein Gewerbegebiet des Berliner Stadtbezirks Lichtenberg, das für die Aktionen der Menschenhändler eine zentrale Bedeutung habe. Dort hätten sich viele vietnamesischstämmige Geschäftsleute niedergelassen. Offenbar findet dort die Vermittlung von illegal eingeschleusten Vietnamesen an Gewerbetreibende in Deutschland und ganz Westeuropa statt.

Die illegal in Europa lebenden Vietnamesen müssen bei den Firmen, an die sie vermittelt werden, die Kosten für ihre Schleusung abarbeiten. Diese liegen pro Person zwischen 10.000 und 20.000 Euro. Die illegale Beschäftigung wird regelmäßig bei Einsätzen der FKS (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) in Zusammenarbeit mit der Polizei festgestellt. Die Personen arbeiten demnach in Massage- und Nagelstudios, in Restaurants, in Schlachthöfen und anderen Betrieben der Fleischindustrie sowie in der Reinigungs- und Textilbranche. Dort müssten sie unter absolut ausbeuterischen Bedingungen arbeiten. Die Firmen setzen sie vor allem in denjenigen Bereichen ein, in denen sie mit relativ geringem Einsatz und unauffälligen Mitteln sehr hohe Gewinne erzielen können, so der BKA-Referatsleiter Moritz.

Deutschland ist für die Menschenhändler offenbar gleichermaßen ein Transit- und Zielland. 2020 stellten die Behörden bei ihren Überprüfungen von Unternehmen und Geschäften fest, dass auch Minderjährige illegal beschäftigt werden. Sie wurden genauso wie die Erwachsenen mit dem Versprechen nach Deutschland lockt, hier oder anderswo in Westeuropa arbeiten zu können und dabei viel Geld zu verdienen. Laut Moritz steckt hinter den Schleusungen ein riesiges, in ganz Europa aktives Netzwerk, das nach Erkenntnissen des BKA gewaltige Summen umsetzt. Die vietnamesischstämmigen Menschenhändler und ausbeuterischen Firmen sind im gesamten deutschen Bundesgebiet vertreten. Das BKA hat nun eine Initiative wegen der stark ansteigenden Fallzahlen in Deutschland und Europa gestartet: Ab dem laufenden Jahr 2021 will man europaweit gemeinsam mit den Partnerbehörden anderer Staaten gegen den vietnamesischen Menschenhandel und die damit verbundene Arbeitsausbeutung vorgehen. Das BKA wird mit Europol und den Polizeibehörden mehrerer europäischer Staaten kooperieren, darunter Polen, Großbritannien, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, Belgien und Tschechien.

Redaktion poppress.de, A-055824