Das Münchener Ifo-Institut schätzt ein, dass die Bundeswehr pro Haushaltsjahr durchgehend 25 Milliarden Euro mehr benötigt.

Die Forscher des Ifo-Instituts haben errechnet, dass 25 Milliarden Euro pro Jahr erforderlich sind, um zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung die Verteidigung aufzuwenden. Dies hatte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges angekündigt. Wie das Ifo-Institut am Dienstag (19.04.22) mitteilte, sind für 2022 mit rund 50,3 Milliarden Euro nur 1,3 Prozent im Kernhaushalt des Bundes für Verteidigung vorgesehen. Hinzu komme allerdings das schuldenfinanzierte Sonderprogramm für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro. Dazu merkte der Ifo-Forscher Florian Dorn an, dass diese 100 Milliarden zwar ein gutes und richtiges Signal seien, jedoch angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht ausreichen würden. Der Krieg habe eine Zeitenwende im europäischen Sicherheitsverständnis eingeleitet. Zudem wies der Wirtschaftswissenschaftler darauf hin, dass die nominelle Steigerung des deutschen Wehretats um nunmehr 7,2 Prozent im laufenden Haushaltsjahr fast vollständig durch die bestehende und noch zu erwartende Inflation aufgezehrt werde.

Der Ifo-Experte wies darauf hin, dass nach den Daten und Berechnungen seines Instituts der Verteidigungshaushalt in Relation zur Wirtschaftsleistung in 2022 gegenüber dem Vorjahr sinke, und zwar selbst beim pessimistischsten Konjunkturszenario. Florian Dorn fügte hinzu, dass die Zeiten der früheren Friedensdividende vorbei seien. Diese habe Einsparungen beim Verteidigungshaushalt ermöglicht und dadurch finanzielle Spielräume für andersgelagerte politische Projekte ermöglicht. Nun müsse aber angesichts des Krieges ein sehr rasches Umdenken einsetzen. Dieses führe aus Sicht der Ifo-Forscher auch zu dem Ergebnis, dass das einmalige Sondervermögen von 100 Milliarden Euro keinesfalls ausreichen werde, um die in den vergangenen Jahren entstandenen Finanzierungslücken vollständig aufzufangen. Es gelte nun, mit einer noch größeren Kraftanstrengung alle bestehenden Mängel kurzfristig aus der Welt zu schaffen und die Bundeswehr damit nachhaltig neu aufzustellen. Geld sei dabei nur ein Mittel zum Zweck. Außerdem müssten effizientere Strukturen für den optimalen Einsatz der finanziellen Mittel geschaffen werden.

Der Ifo-Forscher Marcel Schlepper wies in der Veröffentlichung vom 19.04.22 darauf hin, dass die vergleichsweise niedrigen europäischen Verteidigungsausgaben, die auch zu relativ wenig Rüstungsaufträgen führen, eine wesentlich stärkere Kooperation zwischen nationalen Rüstungsindustrien in Europa erfordern würden. Nur so könne der Kontinent technologisch und sicherheitspolitisch autonom bleiben. Seit nunmehr 30 Jahren, nämlich beginnend im Jahr 1992, sei in Europa und ganz besonders in Deutschland intensiv abgerüstet worden. So sei die Zahl der deutschen Kampfpanzer in diesen drei Jahrzehnten um 88 Prozent, die Zahl der Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber um 78 Prozent gesunken. Selbst wenn das deutsche, französische und britische Militär sämtliche Waffen in diesen Staaten bündeln würden, wäre die Zahl russischer Kampfpanzer um den Faktor 5, die Zahl chinesischer Kampfpanzer sogar um den Faktor acht höher. Russland hat außerdem doppelt so viel Kampfflugzeuge und -hubschrauber, China dreimal so viele wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich zusammengenommen. Daher sei der europäische Kontinent komplett von US-Sicherheitsgarantien abhängig. Man verlasse sich dabei bislang auf die technologische Überlegenheit der US-Streitkräfte, doch die russischen und chinesischen Streitkräfte würden den technologischen Rückstand überwinden. In den letzten Jahren hätten sie ebenfalls innovative Technologien wie Hyperschallraketen und Tarnkappenjets entwickelt, mit denen sie ihre sehr umfangreichen Streitkräfte ausrüsten würden.

Redaktion poppress.de, A-055824