Amélie de Montchalin, die französiche Staatssekretärin für europäische Angelegenheiten, sieht die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union auf der einen und Großbritannien auf der anderen Seite über einen Handelsvertrag vom Scheitern bedroht und befürchtet, falls es zu einem harten Brexit kommen sollte, einen von Zöllen erschwerten Handel ab Januar 2021.

De Montchalin erklärte der „Süddeutschen Zeitung“, der Zeitplan für die Verhandlungen sei sowieso schon aus vielersei Gründen unrealistisch gewesen, und nun sei die Gefahr groß, dass die Unternehmen in der EU und die in Großbritannien nach dem Tiefschlag durch die Corona-Pandemie noch einen zweiten Treffer „wegstecken müssen, wenn die Gespräche scheitern“ sollten und sich dadurch ab Januar die Regeln für den gemeinsamen Handel und den Warenverkehr zwischen der EU und Großbritannien vollständig änderten.

Am Freitagmittag unterrichtet EU-Chefunterhändler Michel Barnier, ebenfalls Franzose, über die Resultate der jüngsten Gesprächsrunde. Die Verhandlungen gestalten sich schwierig, denn die Brüsseler und die Londoner Positionen liegen weit auseinander. Dies gilt etwa für die Frage, wie man es in Zukunft vermeiden kann, dass die britische Regierung die bisher gültigen, gemeinsamen Standards verwässert und ihren Unternehmen auf diese Weise Vorteile verschafft. Staatssekretärin De Montchalin verteidigte Haltung der EU-Position. Die „Forderungen an Großbitannien“ seien nicht unrealistisch, hob sie hervor. Es geht hier schließlich „nicht um einen Flug zum Mond“, nicht ums Gewinnen oder Verlieren. Man wolle in den Verhandlungen nur die Grundlagen für „eine gerechte und lang anhaltende Partnerschaft“ schaffen. Sie sprach sich dagegen aus, die Forderungen der EU abzuschwächen, um einen Handelsvertrag hierdurch leichter abschließen zu können. Es verstehe sich von selbst, dass man nicht einfach „irgendwas unterschreiben“ könne, nur damit man am Ende einen Vertrag habe. Dieser jetzt auszuhandelnde Vertrag werde Folgen „für Jahrzehnte“ haben, und man dürfe nicht die Unternehmen in der EU und deren Mitarbeiter „der Gefahr ungerechter Konkurrenz aus Großbritannien aussetzen“. Man könna auch nicht „ganze Berufsgruppen“, wie zum Beispiel die Fischer, für ein schnell erzieltes Abkommen aufgeben, unterstrich sie. Daher müsse die Europäische Union bereits vorbeugend auf ein eventuelles Platzen der Beratungen vorbereitet sein.

De Montchalin äußerte sich auch zu die Grenzschließungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten während der Corona-Pandemie. Sie verlangte für die Zukunft für solche Fälle eine bessere Abstimmung und mehr Vorbereitungszeit. Es sei „mehr Abstimmung unter den Schengen-Staaten“ erforderlich, bevor diese ihre Grenzen schlössen. Es müsse ein „Frühwarnsystem“ etabliert werden, das gewährleiste, dass kein Land mehr seine Grenzen schließen werde, „ohne seinen Partnern genug Zeit zu geben, sich vorzubereiten“ oder seine Entscheidung gegebenenfalls noch einmal gemeinsam zu überdenken. Kein Land dürfe „von heute auf morgen seine Grenzen schließen“. Das müsse zukünftig wirklich besser organisiert werden, forderte die 34 Jahre alte Politikerin in der „Süddeutschen Zeitung“.

Redaktion poppress.de, A-1010413