Norbert Röttgen (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, hat wegen des gestrigen Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu den Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes (BND) gewarnt, dessen Funktionsfähigkeit könne hierdurch beeinträchtigt werden.

Röttgen erklärte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ für die Mittwochsausgaben seiner Tagezeitungen, mit seiner Entscheidung, die deutschen Grundrechte gälten auch im Ausland und der BND sei bei seiner „strategischen Auslandsaufklärung“ zu deren Einhaltung verpflichtet, habe das Verfassungsgericht „Neuland betreten“. Ob oder wie der BND unter diesen Umständen in Zukunft noch werde arbeiten können, sei unklar.

„Unsere Partner werden diese Fragen an uns richten“, so der CDU-Politiker. Und dies seien wichtige Fragen in einer Zeit, in der von staatlichen wie nicht-staatlichen Akteuren im Ausland „immer komplexere Gefahren“ für die Sicherheit Deutschlands ausgingen.

Auch Andreas Schmidt (CDU), der Vorsitzende der G-10-Kommission, die die Überwachungsmaßnahmen der deutschen Sicherheitsbehörden genehmigt und kontrolliert, äußerte Bedenken. Es spreche zwar einiges dafür, die deutschen Grundrechte auch im Ausland gelten zu lassen. Aber Geheimdienste hätten eine „wichtige Aufgabe“. Sie hätten die „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ sicherzustellen. Dies zu berücksichtigen und die Tätigkeiten des BND im Ausland auch in Zukunft zu ermöglichen, sei nun die Aufgabe des Gesetzgebers, sagte Schmidt dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Peter Neumann, Politikwissenschaftler und Terrorismusexperte am King`s College in London, übte direkte Kritik am Verfassungsgericht. Das Urteil führe zu einer „unnötigen Schwächung des BND“, so Neumann. Die Gültigkeit von Grundrechten auch für Ausländer im Ausland anzunehmen, stelle etwa in Kriegs- und Krisengebieten „eine absurd hohe Hürde“ dar. „Ich weiß nicht, wie man das umsetzen soll“, erklärte Neumann, der als Spezialist für islamistischen Terror gilt, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Mit diesem Urteil werde die Abhängigkeit des Bundesnachrichtendienstes von seinen Partnern in den USA und Großbritannien noch zunehmen, und er werde diese künftig „um Erkenntnisse bitten müssen, die er selbst nicht mehr gewinnen kann“, so der Direktor des „International Centre For The Study Of Radicalisation“ am Londoner King’s College weiter.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte am Dienstag geurteilt, der BND müsse sich bei seinen weltweiten Überwachungstätigkeiten an deutsche Grundrechte halten. Auch Ausländer seien durch das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit geschützt, stellten die Richter des Ersten Senats fest und gaben damit einer Klage statt, die unter anderem die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen und mehrere ausländische Journalisten gegen das Ende 2016 reformierte BND-Gesetz erhoben hatten. Dieses berücksichtigt die Gültigkeit der deutschen Grundrechte für die Aktivitäten des BND im Ausland nicht. Das BND-Gesetz muss jetzt bis spätestens Ende 2021 völlig überarbeitet werden. Bis dahin gleibt es aber weiter gültig. Im Detail geht es hier um die Vorschriften zur sogenannten „strategische Fernmeldeaufklärung“ im Ausland. Im Rahmen dieser Tätigkeit überwacht der BND auch ohne konkreten Anlass riesige Datenströme und gibt die hierbei gewonnenen Informationen teilweise auch an ausländische Geheimdienste weiter.

Redaktion poppress.de, A-1010413