Andreas Westerfellhaus warnt als Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung vor einer Massenflucht von Pflegekräften aus ihrem Beruf, wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht entscheidend verbessern.

Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte Westerfellhaus, man müsse schnellstens umsteuern. Ansonsten käme es zur Massenflucht aus der Pflege. Die Pflegekräfte seien nach inzwischen mehr als einem Jahr Dauerstress durch die Pandemie körperlich und nervlich vollkommen erschöpft.

Bei Gesprächen mit Pflegenden sei oft zu hören, so der Experte, dass sich diese nach beruflichen Alternativen umschauen. Der Pflegebevollmächtigte des Bundes wies darauf hin, dass die Pflegerinnen und Pfleger das Vertrauen in politische Entscheidungen verloren hätten. An ihrer Situation ändere sich nicht grundsätzlich etwas. Nun würden sich die Hinweise mehren, dass seit 2020 mehrere Tausende Pflegekräfte in der Altenpflege und in Krankenhäusern aufgehört hätten. Die Gründe seien nachvollziehbar: So würden die Beschäftigten wegen des Personalmangels, auch ausgelöst durch knappe Stellenpläne, immer wieder aus ihrem Urlaub oder aus freien Tagen zurückgerufen. Gleichzeitig hätten sie ständig das Gefühl, dem eigenen Qualitätsanspruch an den Job niemals gerecht zu werden, weil ständige Hetze herrsche. Das führe zur Zermürbung. Westerfellhaus wörtlich: „Es gibt ein Gefühl der Ohnmacht.“

Der Fachmann fordert nun Personalschlüssel mit einer Orientierung am tatsächlichen Pflegebedarf und gleichzeitig am Leistungsvermögen der Pflegenden. Die Arbeitszeiten müssten planbar gestaltet werden, die derzeit herrschende Hetze müsse verschwinden. Diese Anforderungen müsse man in der Kranken- und Altenpflege gleichermaßen beachten. Auch müssten die examinierten Pflegekräfte mehr Kompetenzen erhalten. Deren Expertise sei nach dreijähriger Ausbildung sehr hoch, jedoch fühlten sie sich allzu oft zu Assistenten von Ärzten degradiert. PflegerInnen würden heute Infusionen legen, die Wundversorgung übernehmen und die Beatmungsentwöhnung steuern. Diese Aufgaben sollten sie vollkommen selbstständig und eigenverantwortlich übernehmen dürfen. Es herrsche dagegen immer noch Widerstand vonseiten einiger Ärzte, der aber vollkommen kontraproduktiv sei. Westerfellhaus wies darauf hin, dass nur eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Ärzten und PflegerInnen die flächendeckende Versorgung auch im ländlichen Raum sicherstellen könne.

Zur Bezahlung im Pflegeberuf sagte der Pflegebevollmächtigte, dass diese ganz eindeutig zu niedrig sei. Der Chef des Deutschen Pflegerates hatte kürzlich ein Einstiegsgehalt von 4.000 Euro gefordert. Dazu meinte Westerfellhaus, dass er keine konkreten Zahlen auf den Tisch legen wolle, jedoch bestätigen könne, dass „die Tendenz stimmt“. Aktuell würden sich die Tarifpartner dafür loben, dass sie 70 Euro Lohnerhöhung vereinbart hätten. Das sei im Grunde lächerlich. Eine Anhebung müsse aktuell richtig kräftig ausfallen, so der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung.

Redaktion poppress.de, A-055824