Wissenschaftler mahnen eine bessere Krisenkommunikation und eine vorurteilsfreie Überprüfung der bestehenden Maßnahmen.

Der Widerstand gegen die Corona-Strategie von Bund und Ländern wächst auch unter Wissenschaftlern. In einem Diskussionspapier wendet sich eine multidisziplinäre Gruppe aus Medizinern, Managern aus dem Gesundheitswesen und Gesundheitsexperten gegen die aktuelle Corona-Maßnahmen. Wir werden derzeit Zeugen einer Politik, die mit dem Phänomen einer Pandemie deutlich überfordert ist, beklagt Gerd Glaeske, Gesundheitsökonom und Sprecher der Gruppe gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Die aktuelle Strategie ist kontraproduktiv und geht gesellschaftlich in eine falsche Richtung. Die Tendenzen in der Politik können wir nur als besorgniserregend identifizieren, mahnt Glaeske.
Die Auswahl der Maßnahmen offenbart ein fundamentales Unverständnis gegenüber den Notwendigkeiten einer sinnvollen Anti-Pandemie-Politik. Es gibt keine institutionellen Lernprozesse, sondern nur ein stetiges Wiederholen von Beschränkungen, die in ihrer Wirksamkeit äußerst zweifelhaft erscheinen. Statt die Fehlentwicklungen zu korrigieren, beharren die Entscheidungsträger in Bund und Ländern auf einem einmal eingeschlagenen Weg. Im Zweifelsfall reagieren sie nur mit einer Verschärfung von Regelungen, die wissenschaftlich und gesellschaftlich infrage gestellt werden müssen.
Die aktuelle gesellschaftliche Kommunikation zum Thema Corona gefährdet die Akzeptanz von sinnvollen und notwendigen Maßnahmen. Von der Bundesregierung bis zu den einzelnen Landesregierungen überwiegt eine fatalistische Darstellung der Corona-Maßnahmen als alternativlos und nicht hinterfragbar. In Bezug auf die Zahlen des Robert-Koch-Instituts wird statt Kommunikation und Einsicht, eine Strategie der Drohung und Einschüchterung verfolgt, die einen Gehorsam der Bürger erzwingen will. Die moralische Unterdrucksetzung des Einzelnen führt zum Gegenteil dessen, was beabsichtigt ist. Die Konsequenz der Betonung der moralischen Pflicht, ist eine Absatzbewegung in Teilen der Bevölkerung. Verschwörungstheorien und eine Radikalisierung der öffentlichen Stimmung wachsen auf der Basis dieser Sprachlosigkeit.
Die Autoren warnen vor dem Aufbau eines Szenarios, das den bevorstehenden Herbst und Winter als Katastrophe beschwört. Wenn die Verantwortlichen in der Politik jetzt von Jahren der Einschränkung, einem langen Winter oder vor einem weihnachtlichen Shut-Down reden, ist dies nicht nachvollziehbar. Wie im Frühjahr bestimmen Horrorgemälde von überlasteten Intensivstationen der Kliniken die mediale Darstellung. Auf der Basis der neuen Erkenntnisse muss eine Neubewertung der Situation durchgeführt und neue Modelle der Prävention entwickelt werden. Die Politik hat diese Chance auf eine Revision und einen sinnvollen Lernprozess auf dem Krisengipfel im Kanzleramt leichtfertig verspielt. Statt Kommunikation und Einsicht, setzen die Verantwortlichen einseitig auf Kontrolle und Strafsanktionen.
Statt einer allgemeinen Beschränkung des Alltagslebens, befürworten die Experten eine zielgerichtete Strategie, welche die Risikogruppen ins Zentrum stellt. Dies müsse auch Inhalt der gesellschaftlichen Kommunikation werden, fordern die Wissenschaftler gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Die Autoren verweisen auf erfolgreiche Konzepte der Aids-Prävention, welche auf eine Aufklärung der konkreten Risikogruppen gesetzt habe und sehr erfolgreich war. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, werden wir mittelfristig erleben, wie eine Radikalisierung der Anti-Corona-Maßnahmen einsetzen wird, mit allen gesellschaftlichen Konsequenzen. Und am Ende werden wir deren Wirkungslosigkeit konstatieren müssen, zu einem hohen Preis, warnen die Experten.

Redaktion poppress.de, NeoMatrix