Katarina Barley, die Vizepräsidentin des Europaparlaments, hat gefordert, schnell einen funktionierenden Rechtsstaatsmechanismus in der Europäischen Union zu schaffen.

Die SPD-Politikerin erklärte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ für die am Freitag erscheinenden Ausgaben der Zeitungen des Verbundes, das „korrupte System von Viktor Orbán“ dürfe nicht weiter mit Geld der EU „gefüttert werden“. Innerhalb der EU sei Ungarn der Staat, in dem die Rechtsstaatlichkeit am stärksten unter Druck stehe.

Die Situation dort nannte die ehemalige deutsche Justizministerin „eine Katastrophe“. Es gebe in Ungarn keine unabhängige Justiz mehr, die Freiheit der Medien, der unabhängigen Wissenschaft und der kritischen Kultur werde immer weiter eingeschränkt. Den Vorschlag der momentan deutschen EU-Ratspräsidentschaft für einen Kompromiss in der Frage des Rechtsstaatsmechanismus bezeichnete sie denn auch als unzureichend. Die EU-Kommission könne demnach den Mitgliedsstaaten zwar finanzielle Mittel streichen, aber nur dann, wenn deren Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit den EU-Haushalt belasteten. Dies eigne sich vielleicht als ein Mittel zur Bekämpfung staatlicher Korruption, vermutete Barley, aber „den Medien und der Zivilgesellschaft, die unter Druck stehen“, sei mit solchen Maßnahmen nicht gedient. Darüber hinaus könne der Rat der Mitgliedsstaaten solche Sanktionen auch nur mit einer qualifizierten Mehrheit beschließen, eine solche sei aber nur sehr schwer zu organisieren, weil viele Staaten „kein Interesse an Sanktionen“ hätten.

Dem seit 2010 regierenden ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán warf Barley vor, ihm sei „die Demokratie völlig egal“. Bei ihm handele es sich um einen strategisch vorgehenden, eiskalten Machtpolitiker. Geld, so urteilte die SPD-Politikerin, sei „das einzige Druckmittel“ das bei Orbán Wirkung zeige. In diesem Zusammenhang äußerte sie heftige Vorwürfe gegenüber den europäischen Konservativen. Diese, so Barley, hätten „Orbán zehn Jahre lang hofiert“. Sie hätten ein Jahrzehnt lang nur zugesehen, wie „ein Mitglied der europäischen konservativen Parteienfamilie in seinem Land die Demokratie“ abgebaut habe, bis fast nichts mehr von ihr übrig geblieben sei. Eine Folge dieser Haltung sei es, dass die Rechtsstaatlichkeit inzwischen gleich in mehreren EU-Mitgliedsstaaten unter Druck geraten sei. Etliche europäische Regierungen hätten erkannt, dass Orbán seit zehn Jahren tun und lassen könne, was er wolle. Man zeige ihm keine Grenzen auf, kritisierte Barley. Diesen Vorwurf erhebe sie ausdrücklich gegen die „europäischen Konservativen, die Orbán aus reinem Machtkalkül in ihrer Parteienfamilie behalten.“ Alle anderen Parteien in der Europäischen Union bemängelten es, wenn etwas Derartiges in ihrer jeweiligen Parteienfamlie vorkomme, klagte Barley. „Nur die Konservativen verteidigten das offensichtlich Falsche.“ Diese seien nicht dazu bereit, „ihren eigenen Leuten einmal zu sagen: So geht das nicht“. Und das, so die Sozialdemokratin, sei „eine Verlogenheit, die ich kaum noch ertragen kann“.

Redaktion poppress.de, A-1010413