Christine Lieberknecht (CDU) sieht Versagen der christlichen Kirchen vor der moralischen Herausforderung der Corona-Pandemie.

Die Kirche hat die Aufgabe für die Schwachen einzutreten und den Sterbenden Trost zu spenden, bei ihnen zu sein und sich zu ihnen zu bekennen. Nichts davon habe ich in der Corona-Krise bei der katholischen oder den protestantischen Kirchen gesehen, beklagt Christine Lieberknecht, ehemalige Ministerpräsidentin von Thüringen gegenüber der „Welt“.
Ich denke nicht nur an die 8000 Opfer des Corona-Virus, sondern auch an die Angehörigen und die Menschen deren Existenz ins Wanken geraten ist. Hier wäre der Platz der Kirchen gewesen, aber ich habe die Stimme der Theologen nicht gehört. Auch an den Corona-Einschränkungen und dem widerstandlosen Hinnehmen der Maßnahmen, übt Lamprecht scharfe Kritik. Der Shut-Down der Kirchen und das Aussetzen der Gottesdienste war nicht notwendig. Es gab keine Gebete für die Kranken oder Toten, es gab keine Trauergespräche und es gab keinen letzten Segen am Sterbebett. Es sind Menschen zu Grabe getragen worden, deren Angehörige nicht an einer Trauerfeier teilnehmen konnten. Das ist im christlichen Denken nicht akzeptabel. Es war ein vorauseilender Gehorsam der Geistlichen, die nicht einmal ihr Recht eingefordert haben, Sterbende zu begleiten, obwohl dies auch im Infektionsschutzgesetz formuliert ist. Spätestens hier wäre eine klare Wortmeldung der Kirchen existenziell gewesen. Die christlichen Kirchen sind keine Vereine oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Sie haben die Aufgabe in gesellschaftlichen Konflikten Stellung zu beziehen, fordert die CDU-Politikerin gegenüber der „Welt“ ein. Aber seit der Pandemie ist hier Stille. Die Leitungsgremien der Kirchen haben auch ihre eigenen Seelsorger in ihrer Not allein gelassen. Hier wäre ein Corona-Testsystem möglich gewesen, das auch seelsorgerische Betreuung zugelassen hätte. Lieberknecht solidarisiert sich offen mit Bodo Ramelow, aktueller Ministerpräsident von Thüringen, der bewusst gegen die Corona-Einschränkungen verstoßen hatte und an der Trauerfeier und Beerdigung einer Bekannten teilgenommen hatte. Damit hat er zwar direkt die Anordnungen seiner eigenen Regierung ignoriert, aber er hat damit auch menschliche Größe gezeigt, betont Lieberknecht. Bodo Ramelow hat ein persönliches Zeichen gegen einen unmenschlichen Zustand gesetzt und der Menschlichkeit ein Gesicht gegeben. Das hätte ich mir von den Kirchen gewünscht, urteilt die CDU-Politikerin in der „Welt“.

Redaktion poppress.de, NeoMatrix