Ehrlich gesagt: Das Thema Stahl kommt meist nur dann ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, wenn irgendwo Jobs auf dem Spiel stehen oder mal wieder Klima-Kompromisse verhandelt werden. Doch für Gunnar Groebler, den Chefpräsidenten der Wirtschaftsvereinigung Stahl, und Kerstin Maria Rippel (sie leitet die Geschäfte beim Verband), steht längst sehr viel mehr auf dem Spiel. In einem Gastbeitrag fürs 'Handelsblatt' fordern sie – ich würde glatt sagen mit Nachdruck – nichts weniger als eine echte industriepolitische Trendwende. Ihr Argument: Faire Wettbewerbsbedingungen, bezahlbare Energie und eine stärkere staatliche Nachfragepolitik sind absolute Grundvoraussetzungen für eine ernsthafte Transformation der Branche.
Konkret wünschen sie sich vor allem, dass Deutschland bei der EU energisch gegen Billigimporte vorgeht und beim CO2-Grenzausgleich, dem sogenannten CBAM, nicht so halbherzig bleibt wie bislang – denn dadurch könnten Wettbewerbsnachteile entstehen, die hiesige Stahlkocher geradewegs ins Abseits stellen. Wer jetzt schon die Alarmglocke hört, liegt richtig: Falls die EU keine Lösung findet, müsse die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten eben verlängert werden, so die Industrieverbände. Zusätzlich, so die beiden, drückt der Schuh ziemlich bei den Energiekosten. Der Standort drohe, international abgehängt zu werden. "Wir brauchen endlich verlässlich günstige Netzentgelte, stärkere Kompensationen für hohe Strompreise und schlicht einen Industriestrompreis, der Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit ermöglicht", heißt es in dem Beitrag – zugespitzt, jedoch kaum übertrieben. Monat für Monat verschwinden tausende Industriearbeitsplätze. Bleibt die Frage: Ist der Stahlgipfel im Kanzleramt der Moment, in dem die industrielle Substanz Deutschlands gerettet wird? Oder nur wieder ein weiteres politisches Signal ohne Durchschlagskraft? Man merkt: Die Zweifel sind nicht ganz von der Hand zu weisen.
Die Kernbotschaft der deutschen Stahlindustrie: Ohne entschiedene politische Unterstützung und Investitionen droht der schleichende Niedergang einer traditionsreichen Branche. Die Unternehmen fordern vor allem energische Maßnahmen gegen Billigimporte, eine sinnvolle Gestaltung des CO2-Grenzausgleichs und eine dauerhafte Entlastung bei den Energiekosten. Rückblickend auf aktuelle Berichte zeigt sich, dass auch in anderen Industriezweigen die Kombination aus hohen Energiepreisen, verschärfter Regulierung in Sachen CO2 und internationalem Wettbewerbsdruck die Standortfrage immer lauter stellt. Beispielhaft war der Appell von Thyssenkrupp-Chef Miguel López auf dem letzten Wirtschaftsgipfel in Berlin: Er forderte eine stärkere Verlässlichkeit bei Strompreisen und forderte einen "ehrlichen Neustart" für das industrielle Fundament Deutschlands – ein Anliegen, das branchenübergreifend geteilt wird. Laut einer frischen Analyse der FAZ diskutiert die Ampel-Koalition derzeit über eine Reform des Strommarktes, doch Industrievertreter melden Zweifel an, ob die geplanten Maßnahmen schnell und konsequent genug greifen, um Wettbewerbsverluste tatsächlich zu verhindern. In den internationalen Schlagzeilen wurde zudem berichtet, dass auch Frankreich seine Industrieförderung hochfährt, was zusätzlichen Druck auf Deutschland ausübt.