Ein warmer Junitag in Stuttgart, vielleicht leichter Krawattenzwang, bestimmt Kaffee und etwas knisternde Erwartung: Bei einem Netzwerktreffen der AOK Baden-Württemberg kamen rund 30 Fachleute aus Gesellschaft, Politik, Medizin und Arzneibranche unter einem Dach zusammen – dem allgegenwärtigen Thema 'nachhaltige Arzneimittelversorgung' auf den Grund zu gehen. 'Baden-Württemberg ist bei diesem Thema vorn und das sollte so bleiben', bekräftigte Johannes Bauernfeind, der Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, mit einer Mischung aus Ehrgeiz und Aufbruchsstimmung. Minister Manne Lucha legte im ersten Impuls gleich den Finger in die Wunde: Arzneimittelversorgung sei längst Teil der kritischen Infrastruktur. "Wir brauchen robuste Lieferketten, Lagerhaltung und mehr Produktion in Europa." Einig waren sich die Diskutanten darin: Wer sich dauerhaft auf Wirkstoffe aus fernen Ländern verlässt, lebt riskant – geopolitische Turbulenzen, Frachtschiff-Krisen, globale Seuchen, alles kann die Versorgung lahmlegen.
Pfizer-Manager Sebastian Zirfas zeigte eine Vision für 2040: mehr Tempo bei klinischen Studien, das beste Therapiespektrum für alle – und Pharma made in Germany, CO2-neutral selbstverständlich. Andreas Burkhardt (Teva/Pro Generika) blickte nüchterner: Solange die Preispolitik Arzneien fast beliebig austauscht, lohnt sich heimische Produktion nicht. Regionalität müsse gezielt für Schlüsselmedikamente fokussiert werden, statt Fördergelder breit zu streuen. Hausärztin Susanne Bublitz schlug zur Nachhaltigkeit einen ganz bodenständigen Bogen: Nachhaltigkeit beginne beim Verschreiben und Erklären – mit dem Ziel, nur wirklich notwendige und umweltverträgliche Präparate auszugeben, Abfall zu vermeiden, Aufklärung zu leisten.
Am Ende blieb mehr als ein Appell – eher ein lautes Nachdenken darüber, wie man Versorgungslücken, Klimaschäden und Marktabhängigkeiten künftig gemeinsam abfedern will. Von EU-Pharma-Paket über Nachhaltigkeits-Richtlinien bis zum elektronischen Rezept: Es ging um viele Baustellen, offene Fragen und die Erkenntnis, dass echte Veränderung vor allem Dialog, Mut und ein bisschen weniger Routine braucht.
In Stuttgart initiierte die AOK Baden-Württemberg mit Unterstützung des Sozialministers ein Netzwerktreffen, das die Arzneimittelversorgung als zentrale gesellschaftliche Aufgabe und Bestandteil der kritischen Infrastruktur neu aufstellte. Vertreter aus Industrie, Politik, Kassen und Medizin diskutieren, wie Lieferengpässe, Abhängigkeit von asiatischen Herstellern und Umweltbelastungen durch lokale Produktion, Nachhaltigkeitskriterien sowie europäische Strategien gelöst werden könnten. Die Gespräche zeigten, dass die Stabilität der Versorgung an klaren, umweltfreundlichen Regeln, Frühwarnsystemen und gemeinsamen Anstrengungen hängt, aber auch an der Bereitschaft, das eigene Handeln – von der Ausschreibung bis hin zum Verschreiben im Sprechzimmer – konsequent neu zu denken.
*Update & Ergänzung (Recherche):* Seit April 2024 spitzt sich die Lage bei Arzneimittellieferungen weiter zu: Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurden im Mai zahlreiche Engpässe bei Medikamenten wie Antibiotika und Fiebersäften festgestellt. Die Bundesregierung plant deshalb eine Vorratshaltung für besonders kritische Medikamente sowie neue Förderrichtlinien für heimische Hersteller und setzt stärker auf europäische Kooperationen, wie ein gemeinsamer Einkauf von Präparaten. Darüber hinaus diskutiert die Branche aktuell strengere Umweltauflagen in der gesamten Lieferkette, insbesondere für Antibiotika, um Resistenzen und Umweltverschmutzung durch Produktionsstandorte in Asien einzudämmen. (Quellen: faz.net, spiegel.de, sueddeutsche.de, tagesschau.de, krautreporter.de, perspective-daily.de)