Gesundheit am Limit: Brauchen wir einen radikalen Neuanfang?

Berlin – Das deutsche Gesundheitssystem taumelt – zwischen wachsenden Kosten und einer alternden Bevölkerung. Beim 26. Eppendorfer Dialog am 2. Dezember machten führende Experten klar: So wie bisher geht es nicht weiter. Unter dem Motto „Gesundheit als Pfeiler der Demokratie“ wurde offen diskutiert, wie wir die Balance zwischen Solidarität, Finanzierbarkeit und Vertrauen in die Politik retten können.

heute 16:54 Uhr | 18 mal gelesen

Mal ehrlich: Der Eindruck drängt sich auf, unser Gesundheitswesen gibt mehr aus, als sinnvoll ist. Tino Sorge, parlamentarischer Staatssekretär im BMG, spricht von „offenen Diskussionen, die unbequem sein werden“ – die gewohnten Wege reichen nicht mehr. Professor Boris Augurzky (RWI) lieferte gleich die Fakten zum Schock: Über 12 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts fließen in die Gesundheit. Mehr als etwa in den Niederlanden – und das ohne messbar bessere Lebenserwartung. Diese Schieflage empfinden auch viele Ärzte, Pflegende und Patienten. Dr. Francesco De Meo, früher Helios-Chef, sieht darin sogar eine Gefahr für die Demokratie; Populismus droht, wenn der Frust überhandnimmt. Sein Vorschlag klingt simpel, ist aber radikal: Nicht mehr Geld nachgießen, sondern Budgetgrenzen so setzen, dass sie regional an den Bedarf angepasst werden – und die starren Grenzen zwischen Versorgungsbereichen endlich aufbrechen. Karin Maag (G-BA) warnt: "Ohne Fairness bei der Verteilung der Lasten verspielen wir das Vertrauen der Bürger – keine Sparmaßnahme wird akzeptiert, wenn sie einseitig erscheint." Oliver Blatt, Chef des GKV-Spitzenverbandes, betont die Notwendigkeit: „Finanzielle Stabilität sichert die Versorgung – das heißt aber auch: Priorisieren und fokussieren! Wir dürfen uns nicht in Details verlieren.“ Michael Hennrich (Pharma Deutschland) sieht das ähnlich – und setzt darauf, dass mehr Beschäftigung und höhere Einkommen Entlastung bringen können. Klar ist für ihn auch: Patienten sollten lernen, einen Teil der Verantwortung zu tragen. Unterm Strich: Die Zeit der All-Inclusive-Versorgung ist vorbei – das System braucht eine neue, ehrliche Balance zwischen dem, was reinkommt, und dem, was rausgehen kann. Der Eppendorfer Dialog, seit fast 20 Jahren Treffpunkt offener Debatten, setzt dabei Zeichen – und war dieses Jahr erstmals mitten in Berlin, genau dort, wo entschieden wird.

Im Kern steht das deutsche Gesundheitssystem vor einer Zerreißprobe: Die Kosten wachsen dramatisch, insbesondere durch den demografischen Wandel und den Fortschritt der Medizin, während die Einnahmen nicht im selben Tempo steigen. Namhafte Stimmen forderten auf dem Eppendorfer Dialog mehr Mut zu echten Strukturreformen, wie flexibel gestalteten Regionalbudgets und einer Stärkung der Eigenverantwortung für die Patienten, um die Überforderung der Solidaritätskasse zu vermeiden. Nach jüngsten Berichten sehen Fachleute vor allem den drohenden Zusammenbruch von Krankenhäusern und Fachkräftemangel als akut, die Digitalisierung und eine bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung gelten als Hoffnungsträger. Erst diese Woche berichten große Zeitungen erneut von geplanten Veränderungen im Klinikbereich, etwa durch die neue Krankenhausreform und die Stärkung ländlicher Regionen; gleichzeitig gibt es Proteste gegen Einsparungen z.B. bei Kinderkliniken, worauf Bundesgesundheitsminister Lauterbach auch am 4. Dezember öffentlich einging. (Siehe aktuelle Debatten auf Quelle: Die Zeit, Quelle: Der Spiegel, Quelle: Süddeutsche Zeitung). Die Diskussionen zeigen: Wohl keine der geplanten Reformen kommt ohne Widerstand – aber sie sind wohl unausweichlich.

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