Leipzig: Neue Ausstellung im GRASSI – 'Formen der Anpassung' wirft Blick auf Kunsthandwerk im Nationalsozialismus

Vom 27. November 2025 bis 12. April 2026 taucht das GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig tief in ein oft übersehenes Kapitel der Gestaltungsgeschichte ein. Die Ausstellung „Formen der Anpassung. Kunsthandwerk und Design im Nationalsozialismus“ fragt, wie Ideologie, Vorgaben und wirtschaftlicher Druck das Schaffen von Kannen, Möbeln & Co. im Dritten Reich geprägt haben. Rund 400 Ausstellungsstücke – von Alltagsobjekten bis zu Prunkpreisen – fordern dazu auf, genauer hinzusehen.

heute 18:47 Uhr | 17 mal gelesen

Geschirr, Möbel, Textilien, sogar edle Gold- und Silberarbeiten: Unter dem Titel ‚Formen der Anpassung‘ beleuchtet das GRASSI Museum jene Facetten von Kunsthandwerk, die im Schatten politischer Machtentfaltung im NS-Staat standen. Wer würde etwa auf den ersten Blick in einer schlichten Vase die Handschrift einer Diktatur vermuten? Der Ausstellungsrundgang beginnt mit Objekten aus der Zeit vor der NS-Machtergreifung, zieht Spuren durch das Dritte Reich – hunderte Fundstücke aus Werkstätten, amtlichen Präsentationen, sogar solche, die von Zwangsarbeitern gefertigt wurden. Es sind nicht allein die Objekte – Schreiben, Plakate, Fotografien verstärken, dass selbst die gewählten Materialien im Sinne der neuen Machthaber bestimmt wurden: Lokales Holz, regionale Metalle, altes Handwerk, 'germanisch' aufgeladene Dekore. Spannend ist, wie sich Gestaltung als Propaganda-Instrument ausdehnte, etwa auf Weltausstellungen oder in NS-Mustersiedlungen. Der zweite Schwerpunkt des Rundgangs nimmt das GRASSI selbst unter die Lupe. Das Haus war gleichermaßen Schauplatz für Propaganda-Ausstellungen als auch für die berühmten Grassimessen, in denen sich moderne und traditionelle Formen begegneten – was erstaunliche Parallelwelten ermöglichte. Ein umfassender Katalog erscheint beim Hirmer Verlag; Führungen finden regelmäßig statt. Wer sich auf den Einstieg ins Thema einlassen möchte, zahlt 10 Euro – Kinder und Jugendliche unter 18 zahlen nichts. Übrigens: Es lohnt sich, einen Blick in den Veranstaltungskalender zu werfen, die Öffnungszeiten sind angenehm großzügig. Mehr Infos: www.grassimak.de

Die Ausstellung „Formen der Anpassung“ im GRASSI Museum in Leipzig deckt einen Bereich deutscher Designgeschichte auf, der bislang wenig Aufmerksamkeit erhielt: den Einfluss des Nationalsozialismus auf Kunsthandwerk und Gestaltung. Neben etwa 400 sehr unterschiedlichen, teils staatlich beauftragten Objekten werden auch die dahinterliegenden Mechanismen – etwa die Rolle von NS-Organisationen, Materialvorgaben, Propaganda auf internationalen Ausstellungen und die enge Verflechtung von Ideologie und Handwerk – beleuchtet. Ergänzt wird die Gesamtperspektive durch die Vielschichtigkeit der Geschichte des GRASSI im Nationalsozialismus und die Möglichkeit, mit Führungen und einem Katalog tiefer einzusteigen. Erweiterte Recherche (Stand Juni 2024) zeigt: Die aktuellen Debatten um Erinnerungskultur und (NS-)Kunst in Deutschland, aber auch Restitutionsfragen oder der generelle Wandel in der musealen Vermittlung von Geschichte, verleihen solchen Ausstellungen neue Aktualität und Dringlichkeit. Sogar 2024 gibt es Proteste und Auseinandersetzungen etwa um die Ehrenzeichen der NS-Zeit oder den Umgang mit umstrittenen Museumsbeständen. Die „Formen der Anpassung“ knüpfen so an laufende Diskurse an, die sich heute nicht mehr nur auf Historiker*innen beschränken, sondern bis in breite gesellschaftliche Debatten reichen.

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