Bahn-Angestellte äußern sich offen frustriert – Stimmung vor Wendepunkt

Unmittelbar bevor die neue Bahn-Chefin Evelyn Palla ihre umfassende Strategie präsentiert, brodelt es bei DB Fernverkehr: Viele Mitarbeitende melden sich mit wachsender Unzufriedenheit zu Wort.

heute 18:22 Uhr | 19 mal gelesen

Die Lage im Fernverkehrsbereich der Deutschen Bahn spitzt sich weiter zu. Von Lokführern über Zugbegleiter bis hin zu den Disponenten klagen viele seit Monaten über extreme Arbeitsbelastung, unflexible und zu lange Schichten – und die Grenze zum Ausbrennen scheint längst überschritten. Was für Außenstehende oft verborgen bleibt, wird in internen Mitarbeiter-Chats sehr deutlich: Die Nerven liegen blank. Nach einem Interview von Fernverkehrsvorstand Michael Peterson in der App „Echt Klar“ tauchten in den Chatgruppen zahlreiche Postings auf – vielfach mit echtem Foto und vollem Namen. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat nach eigenen Angaben viele dieser Einträge geprüft. Da liest man von abgesagten Weihnachtsfeiern, schlechtester Arbeitsmoral und gefühlter Null-Wertschätzung. Einer schreibt: „Wir müssen endlich aufhören, uns in die eigenen Taschen zu lügen.“ Was auffällt: Die Zweifel an den Topmanagern nehmen sichtbar zu. Manche halten die Vielzahl an angekündigten Neustarts und Rettungsprogrammen mittlerweile für Symbolpolitik. Ein Kollege beschreibt das System als „krank“ und moniert, man versinke geradezu in PowerPoint-Präsentationen und Excel-Sheets. Im Interview hatte Peterson die Streichung von 500 Stellen für 2026 angekündigt, und einen Hoffnungsschimmer in Bezug auf die komplizierten Schichtsysteme ließ er ebenfalls vermissen. Was bislang an Reformen und Strategieprogrammen kam – sei es „Volles Funktionieren“, „S3“ oder „Zukunft Bahn“ – wurde mittlerweile alles eingestampft. Die ständigen Strategiewechsel zermürben die Leute, manche machen sich darüber bereits öffentlich lustig. Ein Mitarbeiter, erst wenige Jahre im Betrieb, hört regelrecht das Vertrauen in die Führungsetage zerbröseln.

Gerade jetzt, am Vorabend der neuen Strategievorstellung, tut sich bei DB Fernverkehr ein tiefer Graben zwischen Belegschaft und Führung auf: Viele Bahner sind an der Belastungsgrenze und lehnen sich – halb anonym, aber oft auch offen – gegen das Management auf. Interne Chatbeiträge zeugen von emotionaler Erschöpfung und Misstrauen, das besonders durch die Ankündigung erneuter Stellenkürzungen und scheinbar endloser Strategiewechsel befeuert wird. In den letzten beiden Tagen haben viele Medien von einer wachsenden Zahl von Krankmeldungen und Überstunden berichtet; auch außerhalb vom DB-Konzern stehen systemische Fragen im Fokus: So stand in der taz ein Interview mit einer Personalrätin, die von einer 'neuen Protestkultur' bei internen Missständen spricht (Quelle: taz), und die Süddeutsche beleuchtet detailliert, wie sich der Strategie-Schlingerkurs auf die Sicherheit und Servicequalität der Bahn auswirkt (Quelle: Süddeutsche Zeitung). Der Spiegel wiederum analysiert, dass häufige Führungswechsel und mangelnde Wertschätzung bei Großunternehmen – beispielhaft am DB-Konzern – zu einer gefährlichen Entfremdung zwischen Belegschaft und Management führen (Quelle: DER SPIEGEL). Weitere Details: Die allgemeine Personalnot bei der Bahn hat sich in den vergangenen Wochen spürbar verschärft. Laut Expertenaussagen fehlen im gesamten Konzern mehrere Tausend Beschäftigte, was Verspätungen, Zugausfälle und unplanbare Schichtwechsel für Mitarbeiter zur Folge hat. Die DB prüft zwar Digitalisierung und Automatisierung, kurzfristige Entlastung sei aber laut Personalrat wie Vorstand nicht in Sicht. Hinzu kommt, dass der Umbau hin zu mehr Nachhaltigkeit und klimafreundlicher Mobilität die ohnehin überlasteten Teams zusätzlich fordert.

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