Dettmers Ansatz ist, ehrlich gesagt, wohltuend schnörkellos: Für sie werden Farben zu einer Art Sprache, Quadrate zu ihrer Grammatik. Es geht nicht um bloßes Dekor, sondern vielmehr um eine Art System, dass eine nüchterne Fläche in etwas Vertrautes verwandelt – sei es, dass man kurz verweilt, Luft holt oder einfach Orientierung findet. Kunst, so scheint es, kann in öffentlichen Gebäuden wesentlich mehr als für Hingucker sorgen: Sie wird zu so etwas wie einer subtilen Infrastruktur. Das Quadrat dient dabei als Ordnungsprinzip – fast schon wie ein Raster, das Halt gibt, aber nicht einengt. Die Wiedererkennbarkeit der simplem Form sorgt dafür, dass sich Menschen an Orten zurechtfinden, die sonst niemanden interessieren würden. Überraschend vielleicht: Hier schafft nicht die Lautstärke Wirkung, sondern Klarheit. In Büros, Schulen, Fluren – überall dort, wo die Zeit rast und Menschen aneinander vorbeihasteln, kann ein geradliniges künstlerisches Element plötzlich wie ein Anker wirken. Dabei bleibt Dettmer bei ihrer Sprache: Das Quadrat ist mehr als nur Form. Es steht für Offenheit und Struktur zugleich. Und wie sie Kanten und Farben anordnet, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von Präzision und Gefühl: Ordnung, die nicht dominiert, sondern orientiert.
In ihren Projekten entstehen so keine „fertigen“ Statements, sondern Angebote: Jeder kann darin etwas anderes erkennen. Das spiegelt sich auch in ihrer Arbeitsweise wider – die Farbigkeit ist mutig, die Rhythmisierung der Quadrate durchdacht, doch nie kalt. Im Gegenteil: Wo Dettmer mit Farbe arbeitet, entsteht eine warme, merk-würdige Atmosphäre. Eigentlich faszinierend, wie das Prinzip Raster in der Gegenwart wieder zu einer künstlerischen Einladung wird. Sie knüpft damit an eine lange Tradition an: Reduktion als Verdichtung, Strenge als Möglichkeit zur Öffnung. Vielleicht ist das ja gerade das Geheimnis ihrer Interventionen: Reduzieren, um mehr Tiefe zu erzeugen.
Was dabei bleibt? Orte, zu denen eine Art Beziehung entsteht. Ob das jetzt groß klingt? Klar, vielleicht. Doch am Ende sind es oft banale Details – ein Farbspot, ein vertrautes Muster –, die tagein, tagaus aus einem anonymen Flur einen kleinen Bezugspunkt machen. Dettmer will also nicht mit großer Symbolik überfordern, sondern mit feiner Balance arbeiten: Die Kunst ist präsent, nie aufdringlich, und gerade diese zurückhaltende Klarheit macht sie dauerhaft erfahrbar.
Jana Dettmer selbst? Eine Pendlerin zwischen Köln und dem Süden Frankreichs. Seit Jahren umtreibt sie die Wirkung von Farbe – psychologisch, künstlerisch, sogar philosophisch. Ausstellungen hier wie dort, Werke in Sammlungen, und 2022 dann auch noch ein eigenes Buch über die Kunst des Farbspiels. Ihr „Square Project“ ist dabei fast eine Art Essenz: zugänglich, lokal angepasst, aber immer mit dem Anspruch, Vergessenes sichtbar zu machen – und Orte mit Wiedererkennung zu erschaffen. Denn, das ist vielleicht die schönste Pointe: Wer sich irgendwo wiedererkennt, fühlt sich ein bisschen weniger verloren.
Dettmers „The Square Project“ betrachtet scheinbar banale Übergangsräume als gesellschaftlich relevante Orte und gibt ihnen mithilfe von Klarheit, Struktur und Farbe eine neue Identität. Mit dem Quadrat als verbindendem Element entsteht eine offene Angelegenheit: Menschen finden Orientierung, Vertrautheit, vielleicht sogar ein Stück gemeinsamer Identität. Besonders in einer Zeit, in der Anonymität und Hektik dominieren, eröffnet ihre Arbeit die Möglichkeit, sich zu verorten und soziale Bindungen im städtischen Alltag zu erfahren. Betrachtet man aktuelle Debatten rund um Kunst im öffentlichen Raum, zeigt sich, dass viele Initiativen künstlerische Interventionen gezielt als Werkzeug gegen Vereinzelung und für mehr Miteinander einsetzen. Im Juni 2024 entstand zudem in Berlin eine Diskussion darüber, wie öffentliche Kunstprojekte – etwa farbliche Gestaltung von Haltestellen oder Brücken – tatsächlich zu weniger Vandalismus und stärkerer sozialer Identifikation führen können. Auch Experten heben mittlerweile hervor, dass sich gezielte künstlerische Eingriffe positiv auf das Zusammenleben in Ballungsräumen auswirken – Dettmers Ansatz ist also längst Teil einer aktuellen gesellschaftlichen Bewegung.