Laut einem aktuellen, 33 Seiten umfassenden Bericht des Bundesrechnungshofes, liegt der geschätzte Wert der Eisenbahninfrastruktur, die das Ende ihrer technischen Lebensdauer längst überschritten hat, mittlerweile bei beeindruckenden 123 Milliarden Euro. Das Dokument, das mehreren Bundestagsausschüssen vorgelegt wurde und dem 'Tagesspiegel Background' zugespielt worden ist, lässt keinen Zweifel daran, dass der Investitionsstau größer ist als bisher offiziell angenommen.
Die Rechnungsprüfer gehen sogar noch einen Schritt weiter und kritisieren das bestehende Finanzierungsmodell, konkret die sogenannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bahn und Bund. Ihr Urteil: Das System sei wenig tauglich, um langfristig Qualität und Funktionsfähigkeit des Schienennetzes sicherzustellen. Trotzdem möchte das Verkehrsministerium die Fördermittel ausgerechnet auf Basis dieses Modells nun erneut kräftig anheben – und zwar um weitere 19 Milliarden Euro bis 2026, ohne dabei die grundlegenden Mechanismen zu verbessern. Die Kontrolle über die Mittelverwendung, so die Kritiker, bleibe dabei auf einem unzulänglichen Niveau.
Problematisch ist aus Sicht der Prüfer außerdem, dass der Eigenanteil der Bahntochter DB Infrago an entsprechenden Projekten immer mehr schrumpft. Ein Zustand, der – so die Annahme – wenig Anreiz bietet, den Mitteleinsatz wirtschaftlich und verantwortungsvoll zu planen. Eigentlich fast schon absurd: Trotz langjähriger Warnungen wird das System fortgeführt.
Bevor es weiteres Geld gibt, stellen sie eine klare Forderung auf: Überarbeitung der Richtlinien, mehr Kontrolle, größerer Effekt und eine sinnvolle Mittelverwendung. Knausern hilft hier nicht, aber noch mehr Geld ins System kippen, während das Leck noch offen ist? Das führt doch nirgends hin. Ganz nebenbei kritisiert der Rechnungshof auch noch, dass immer mehr Mittel aus Sondervermögen kommen, was rechtlich eine Grauzone sei. Kurzum: So wie jetzt – sollte es nicht bleiben.
Der Bundesrechnungshof legt offen, dass der Zustand des deutschen Schienennetzes noch schlechter ist als bislang bekannt; der nötige Sanierungsaufwand wird mittlerweile auf 123 Milliarden Euro geschätzt. Kritisiert werden die mangelhafte Kontrolle über staatliche Zahlungen und das Finanzierungssystem durch die LuFV, das zum weiteren Qualitätsverlust beitrage. Zusätzlich stehen rechtliche Risiken durch Sondervermögen zur Finanzierung und die schwindenden Eigenbeiträge von DB Infrago im Fokus.
Ergänzend zeigen aktuelle Recherchen, dass die Deutsche Bahn und das Bundesverkehrsministerium den schlechten Zustand zwar anerkennen, aber eine grundlegende Umstrukturierung und Modernisierung aus Zeit- und Kostengründen immer wieder ins Stocken geraten. Medienberichte aus den letzten Tagen unterstreichen, dass gravierende Einschränkungen für Reisende drohen, wenn es nicht sehr bald zu tiefgreifenden Veränderungen kommt, und warnen vor einer weiteren Verschlechterung der Pünktlichkeit und Streckensicherheit.