Sparzwang und Qualität – Ein Drahtseilakt
Es rumort im Reparaturgewerbe: Wer heute sein Auto zu einer unabhängigen Werkstatt bringt, entscheidet sich häufiger für preisgünstige Alternativen anstatt für selten erschwingliche Original-Ersatzteile. Fast drei von fünf Menschen greifen inzwischen nach Teilen aus dem freien Handel – ein Plus von 14 Prozent zu 2024. Interessant ist: Gerade in ländlicher Umgebung oder bei Fahrerinnen und Fahrern günstiger Modelle macht sich der Trend stärker bemerkbar. "Die Verbraucher drehen jeden Cent zweimal um", so sieht es zumindest Maximilian Wegner von Roland Berger. Gleichzeitig sinken die Gesamtausgaben für Service und Reparaturen – das Bild drischt aber nur in Nordamerika aus der Reihe, wo die Preise, nicht der Umfang, wachsen.
Moderne Technologien: Die Baustelle der Werkstätten
Und dann die Technik: Fast jede zweite freie Werkstatt musste im letzten Jahr Aufträge rund um Fahrassistenzsysteme abwimmeln – weil oft Know-how oder teure Kalibrier-Geräte fehlen. Rund 58% der Betriebe scheitern an den Anschaffungskosten solcher Geräte, die bei neuen Autos quasi Pflicht sind. "Das erzeugt eine gefährliche Lücke", gibt Wegner zu, denn sogenannte ADAS-Dienste wandern zu den Vertragswerkstätten ab, mitsamt dem treuen Kundenstamm.
Service als Joker: Hauptsache bequem
Neben dem Preis spielt aber neuerdings auch Bequemlichkeit eine Rolle. Abhol- und Bringdienste für Autos werden vor allem in Großstädten zum Unterscheidungsmerkmal – und sollen auch Flottenbetreiber locken. Wer jetzt nicht auf Service setzt, verpasst laut Studie Schnellboote ganzer Kundengruppen. Während in Europa und Nahost viele solche Services fast schon Alltag sind, tastet sich der amerikanische Markt langsam heran. China zeigt derweil, wohin die Reise geht: Jede vierte befragte Person liebäugelt mit mobilen Werkstattservices.
Online-Bestellungen für Profis auf dem Vormarsch
Im Onlinehandel verlagert sich das Geschehen: Privatkundschaft lässt öfter die Finger davon, während Geschäftsleute und Betriebe das Internet für Teilekäufe erobern. In Ländern wie Deutschland und Großbritannien läuft bereits mehr als jedes fünfte Ersatzteilgeschäft online, im B2B-Bereich mit klarem Wachstumstrend. Für die nächsten Jahre prognostizieren die meisten befragten Werkstätten noch mehr Digitalgeschäft.
Hintergrund zur Studie
Das Stimmungsbild der Studie stammt aus Umfragen in 13 Kernmärkten – darunter Belgien, China, Deutschland, Türkei und die USA. Mehr Details gibt es direkt bei Roland Berger.
Freie Werkstätten stehen vor doppeltem Druck: Einerseits zwingt die Preis-Sensibilität der Autofahrenden zu günstigeren Ersatzteilen, andererseits bremsen fehlendes Know-how und teure Investitionen bei Fahrassistenzsystemen die Auftragspalette aus. Über 47 % der Werkstätten mussten Kunden mit ADAS-Anliegen im letzten Jahr fortschicken, da keine passenden Geräte oder das nötige Fachwissen vorhanden waren – so entgleiten wichtige Umsätze der freien Marktseite. Neben den klassischen Herausforderungen rücken Service-Innovationen wie Bring- und Holservices stärker in den Fokus, um insbesondere in urbanen und digitalen Umfeldern konkurrenzfähig zu bleiben.