Manchmal fragt man sich wirklich, ob in Berlin überhaupt jemand mitbekommt, was draußen auf dem Land und in den Städten los ist. Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, hat jedenfalls wenig Zuversicht. Gegenüber der 'Rheinischen Post' macht er kein Geheimnis daraus, dass er die bisherige Wirtschaftspolitik als wenig mittelstandsfreundlich empfindet. 'Von gezielter Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen kann keine Rede sein', sagt Dittrich. Besonders die Tatsache, dass die Stromsteuer bislang nicht wie versprochen für alle gesenkt wurde, stößt ihm bitter auf. Für viele kleine und energieintensive Handwerksbetriebe sei das fatal – schließlich seien sie von den aktuellen Kostensteigerungen doppelt getroffen. Ein ähnliches Gefühl der Empörung sei im Handwerk zuletzt nur bei der Debatte um das Heizungsgesetz zu spüren gewesen.
Der von Wirtschaftsministerin Reiche geplante Mittelstandsdialog ist für Dittrich kaum mehr als eine Beruhigungspille. Was seinem Eindruck nach wirklich benötigt wird? Unkomplizierte, sofort spürbare Signale im Alltag, die zeigen: 'Wir haben euch nicht vergessen.' Immerhin steigen die Insolvenzen, das Handwerk stecke in einer Art stillem Sterben. Gerade die vorgeschlagenen Maßnahmen – Abschaffung des Sonntagsbackverbots, Ende der Bonpflicht – könnten laut Dittrich schnell umgesetzt werden. Und auch die geplante Steuersenkung müsse endlich für alle gelten, nicht nur für große Kapitalgesellschaften. Dass die SPD kleineren Betrieben eine Umwandlung zur GmbH nahelegt, hält er für lebensfremd – oder, anders gesagt: 'Das passt einfach nicht zur Handwerkskultur.'
Die Kritik aus dem Handwerk an der aktuellen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung reißt nicht ab. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks sieht vor allem den Umgang mit der Stromsteuer als problematisch: Kleine und mittlere Betriebe fühlen sich übergangen, weil die versprochenen Erleichterungen bislang ausblieben. Hinzu kommt Frust über politische Vorschläge, die für viele Handwerksfirmen völlig an der Realität vorbei gehen, etwa die Umwandlung in Kapitalgesellschaften oder unnötige Bürokratie-Vorgaben. Die wirtschaftliche Stimmung im Mittelstand ist ohnehin angespannt – die Zahl insolventer Firmen wächst laut aktuellen Berichten des IW Köln und Unternehmensverbänden spürbar. Laut aktueller Recherche in großen deutschen Medien fordern auch andere Verbände und Ökonomen eine umfassendere Unterstützung für kleine Unternehmen, besonders angesichts steigender Energiepreise, wachsender Bürokratie und internationaler Konkurrenz. Einig ist sich die Fachwelt: Es braucht kurzfristig spürbare Entlastungen sowie einen langfristigen, echten Dialog – nicht nur Wohlfühlrhetorik auf Konferenzen, sondern politische Taten, die der Lebenswirklichkeit kleiner Betriebe gerecht werden.