John Irvings Zäsur: Ein Protest gegen Trumps Amerika

Aus tiefem Unmut über Donald Trumps Kurs sagt der Schriftsteller seine US-Lesereise ab – und spricht über das Gefühl, sein Heimatland nicht wiederzuerkennen.

heute 06:02 Uhr | 18 mal gelesen

„Mir fehlt schlichtweg das Verständnis dafür, wie ein Land, das ich früher als Keimzelle der Demokratie empfand, sich von einem solchen autoritären Despoten vereinnahmen lassen kann“, bekannte John Irving in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der bekannte Schriftsteller, Kanadier und Amerikaner zugleich, zieht ungewohnt drastische Konsequenzen: Seine Lesereise wird dieses Mal nicht in den Vereinigten Staaten stattfinden – aus entschlossenem Protest gegen die Regierung Trumps. Irving beschreibt seinen Entschluss als den schmerzlichsten Boykott, den er je vollzogen hat. „Natürlich blutet mir das Herz, denn ich vermisse mein Heimatland. Nie hätte ich gedacht, jemals so einen Schritt machen zu müssen, gerade wenn ich ein neues Buch veröffentliche. Aber ich kann da einfach nicht mehr hin.“ Interviews will er nur in Kanada oder virtuell geben – als symbolisches Statement. Tiefe Sorge klingt in Irvings Worten mit: Für ihn steht Trumps Politik im Zeichen eines global wachsenden rechten Autoritarismus. „Was da abläuft, ist nicht nur amerikanisch, sondern Teil eines weltweiten Trends“, so der 83-Jährige. Das Tempo, mit dem antidemokratische Strömungen erstarken, sei für ihn erschütternd. Besonders kritisiert Irving das Schweigen vieler Republikaner: „Dass sie das alles widerspruchslos zulassen, ist eine Katastrophe. Die Verfassung wird mit Füßen getreten.“ Auch das Verhältnis zwischen den USA und Kanada, seiner Wahlheimat, sei nachhaltig ramponiert. In einem Gespräch mit der Schriftstellerin Margaret Atwood sei ihm endgültig klar geworden, wie groß die Distanz inzwischen ist: „Die Kanadier sind sich so einig wie nie in ihrer Ablehnung der amerikanischen Politik. Das tut weh – und es spricht Bände über den Zustand der Demokratie.“

Irving boykottiert aus Protest gegen Donald Trump die USA und gibt Lesungen ausschließlich außerhalb seines Geburtslandes. Er sieht die amerikanische Demokratie nach Trumps Wiederwahl als akut bedroht und erkennt sein Heimatland nicht wieder; zentrale Kritikpunkte sind seiner Meinung nach das unverhohlene Ausweiten exekutiver Macht und die Passivität der republikanischen Politiker. In einem historischen Vergleich schätzt Irving die aktuelle Spaltung und die offene Ablehnung der USA durch Kanadier – wie im Gespräch mit Margaret Atwood – so stark wie noch nie ein. Neuste Nachrichten aus unterschiedlichen Quellen ergänzen Irvings Perspektive: Amerikanische Juristen und Bürgerrechtler warnen aktuell erneut vor einer möglichen Gefährdung demokratischer Grundrechte in den Vereinigten Staaten, besonders im Hinblick auf das anstehende Wahljahr und politisch motivierte Gesetzesverschärfungen. In Europa beobachtet man mit Unbehagen, wie Rechtspopulismus und Nationalismus nicht nur in den USA, sondern auch in EU-Staaten zunehmend Einfluss auf Regierungen gewinnen – jüngste Wahlanalysen bestätigen diese Tendenz. Zeitgleich diskutiert die Medienöffentlichkeit intensiv, welche Rolle Schriftsteller und Kulturschaffende im Kampf um Demokratie und Meinungsfreiheit spielen können.

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