Es ist ja so: Christoph Ahlhaus, oberster Geschäftsführer des Mittelstandverbands, schätzt im Kern durchaus den Impuls der Politik, gerechtere Bezahlung zu fördern – namentlich Bildungsministerin Karin Prien von der CDU, so erzählt er dem 'Spiegel'. Nur, meint Ahlhaus, habe man aus alten Fehlern offenbar nichts gelernt – früher schon beim Lieferkettengesetz wurde Bürokratie auf die Unternehmer abgewälzt und damit aus gut gemeinten Anliegen ein Bürokratiemonster geschaffen. 'Wer sich im Licht von guten Absichten wärmt, während er den Mittelstand in Berichts- und Dokumentationspflichten ertränkt, handelt genau entgegen dem, was eigentlich versprochen wurde: weniger Papierkram, statt immer mehr.', kritisiert er offen. Und dann kommt die Rechenaufgabe: Für ein bereinigtes Gender Pay Gap von sechs Prozent – statt der oft genannten 16 Prozent – hält Ahlhaus den Aufwand, der auf die Betriebe zurollt, für deutlich überzogen.
Das Ziel der neuen europäischen Gesetzgebung (Richtlinie 2023/970) ist denkbar klar: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – egal ob für Männer oder Frauen. Dazu braucht es, so sieht es Brüssel vor, mehr Lohntransparenz. Deutschland muss die Vorgaben spätestens bis Juni 2026 umsetzen, ob es will oder nicht.
Nicht nur der Mittelstand, auch die Arbeitgeberverbände (BDA) laufen Sturm. Ihr Chef, Steffen Kampeter, spricht gegenüber der 'Bild' gar von einem Angriff auf die Tarifautonomie. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wiederum lässt dies nicht gelten. Die DGB-Vizechefin, Elke Hannack, hält dem entgegen, dass die Richtlinie im Gegenteil Tarifverträge stärke und Diskriminierung abbauen könne. Ihrer Auffassung nach war das bestehende deutsche Transparenzgesetz ohnehin eher schwach auf der Brust – und weil wirkliche Lohnfairness im 21. Jahrhundert noch immer keine Selbstverständlichkeit sei, brauche es endlich schärfere Regeln.
Der Mittelstand kritisiert die geplante Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie als überzogen und warnt vor erneutem Bürokratieaufwuchs, wie es bereits beim Lieferkettengesetz der Fall war. Die Richtlinie verpflichtet Unternehmen in ganz Europa dazu, mehr Transparenz in Gehaltsfragen zu schaffen, um Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen bei der Bezahlung zu stoppen. Während Arbeitgeber eine Gefährdung der Tarifautonomie befürchten, sehen Gewerkschaften in der Richtlinie einen wichtigen Hebel für mehr Lohnfairness und die Stärkung der Tarifpartnerschaft.
Ergänzend aus den jüngsten Recherchen: Die Debatte um die Richtlinie verschärft sich, weil viele Mittelständler fürchten, dass insbesondere kleinere Firmen unverhältnismäßig belastet würden – gleichzeitig argumentieren Expertinnen und Experten etwa auf taz.de, dass Transparenz langfristig zu besserer Unternehmenskultur beitrage. In der FAZ wird aktuell berichtet, dass Frankreich bei der Umsetzung deutlich weiter ist und damit auch weniger Diskussionsbedarf sieht. Zudem betonen Stimmen wie auf der Süddeutschen, dass gerade in Branchen ohne starke Tarifbindung strukturelle Lohnlücken besonders groß bleiben.