Manchmal frage ich mich, ob Leute, die einmal im Leben Teil der Schwetzinger SWR Festspiele waren, je denselben Blick auf Musik, auf Kunst überhaupt, behalten können. Für die Ausgabe 2026 haben sich die Macher:innen ein Motto gewählt, das nachhallt: "Haltung". Das bedeutet nicht nur geradestehen, sondern auch Türen öffnen – zu anderen Meinungen, neuen Klangwelten, überraschenden Perspektiven; zumindest sagt das Cornelia Bend, die künstlerische Leiterin. Es klingt fast wie ein Versprechen, dass in der Kunst die Welt ein kleines bisschen anders werden darf.
Apropos anders: Im Musiktheater wird Haltung besonders gespiegelt, das Programm ist, wenn man so will, durchzogen von Grenzübertritten. Karola Obermüller und Peter Gilbert haben gemeinsam mit Librettistin Tina Hartmann aus Ingeborg Bachmanns "Malina" eine Oper gebaut, die gleich zur Eröffnung uraufgeführt wird – pünktlich zu Bachmanns 100. Geburtstag. Und dann, als klassisches Gegengewicht, Monteverdis "L'Orfeo"; Julian Prégardien, von vielen Stammgästen der Festspiele vermutlich längst ins Herz geschlossen, übernimmt die Hauptrolle. Überhaupt: Der Mythos Orpheus zieht sich als roter Faden durchs ganze Programm. Cembalistin Elina Albach etwa findet mit ihrem Ensemble neue Klänge zwischen historisch und elektrisch – so etwas muss man erst mal bringen.
Mit Stücken wie "CarMEN" oder einer "Fledermaus"-Fassung, die verdächtig wenig an alte Operetten gemahnt, sollen auch Klassiker einen modernen Drall bekommen. Wenn Musikkritiker:innen von "unerhörten Inszenierungen" sprechen, meinen sie vielleicht genau solche Herangehensweisen. Zumindest wird man staunen, denke ich, wenn Club Classique und die „Queens of Mannheim“ Bizets Oper auf links drehen – und Maayan Licht mit im Spiel ist.
Über die Residenzkünstler:innen: Namen wie Dorothee Oberlinger, Sophie Pacini oder das Signum Quartett tauchen an mehreren Ecken auf. Das ist kein Zufall, sondern Teil der offenen Festivalstruktur. Oberlinger widmet sich – im wörtlichen Sinne – Sirenen, Liebe und Jahreszeiten (ja, offenbar gibt’s eine fünfte!), während Pacini sich auch Musikvermittlung verschrieben hat und sogar Literatur ins Konzert bringt. Jörg Halubek blickt auf die weibliche Seite einer der ältesten Mythen der Musikgeschichte und das Signum Quartett wird gemeinsam mit dem Viatores Quartet einen wahren Marathon veranstalten.
Die Liste der Mitwirkenden liest sich ohnehin wie ein Rundgang durch die aktuelle Musikszene – darunter Namen wie Corinna Harfouch, Rebecca Immanuel, Hubert Wild oder Preisträger:innen des ARD-Musikwettbewerbs. Außerdem gibt es Konzerte, die mitten ins Herz der Stadt führen und auch die Jüngsten ins Festspielleben einbinden. Wer jetzt schon planen will: Der vollständige Programmblick ist online verfügbar. Tickets? Ab dem 5. Dezember, wie immer mit einer gewissen Spannung, denn manche Karten wechseln binnen Minuten ihre Besitzer:innen.
Die Schwetzinger SWR Festspiele 2026 laufen vom 24. April bis zum 23. Mai unter dem Leitgedanken „Haltung“. Das Festival verbindet Uraufführungen – etwa von „Malina“ basierend auf Ingeborg Bachmann – mit Neuinterpretationen klassischer Werke wie Monteverdis „L'Orfeo“ und hat sich einer wagemutigen Mischung aus Alter Musik, zeitgenössischem Musiktheater und moderner Vermittlung verschrieben. Residenzkünstlerinnen wie Dorothee Oberlinger und Sophie Pacini prägen das Programm, das zudem durch innovative Musikvermittlungsformate für alle Altersgruppen und Kooperationen mit lokalen und internationalen Künstlern ergänzt wird. Alle Konzerte werden von SWR Kultur aufgezeichnet beziehungsweise live oder zeitversetzt ausgestrahlt, und das Land Baden-Württemberg sowie private und institutionelle Förderer sichern die Finanzierung. Neuere Recherchen ergeben, dass der Trend zu themenübergreifenden Festivals anhält und auch andere deutsche Festspiele verstärkt gesellschaftliche Positionierungen und Austauschformate in den Mittelpunkt rücken. Aktuell berichten große Medien über Festivals, die Diversität und Demokratisierung der Klassik betonen (FAZ, Zeit) und die Bedeutung regionaler Kulturinitiativen für gesellschaftlichen Zusammenhalt hervorheben (Spiegel, Taz). Die Anfrage an die regionale Identität von Musik und Bildung nimmt dabei gerade spürbar Fahrt auf.