Ein bisschen bizarr mutet es schon an: Während im Management-Stammbuch fleißig rote Zahlen gemalt werden und in der Zentrale Jobs streichen angekündigt wird, hält die Bahn an ihrem Ausbildungsprogramm fest. Wie der 'Tagesspiegel' mit Verweis auf die Gewerkschaft EVG berichtet, stehen ganze 5.200 neue Talente, vorzugsweise für den Fahrdienst, auf der Einstellungsagenda. Ein Zug voller Nachwuchs, sozusagen. Ein logischer Schritt? Die Bahn hat in letzter Zeit immer wieder das Kunststück vollbracht, pünktlich Personalnot zu melden – vor allem auf abseitigen Gleisen fehlen Leute, worunter der Betrieb schmerzlich leidet.
EVG-Chef Martin Burkert klingt im Interview beinahe resigniert und gleichzeitig stolz: Trotz 'maroder Infrastruktur' und 'dramatischer Lage' halte der Betrieb vor allem dank des Einsatzes der Mitarbeitenden noch durch. An dieser Einschätzung beißt sich keine Lok fest. Gerade weil der Fachkräftemangel langsam zum Standardproblem wird, pocht die Gewerkschaft darauf, dass bei der Ausbildung nicht gespart werden darf. Glück für die Bahn, dass Personalvorstand Martin Seiler da keine halben Sachen machen will.
Während bei der Chefetage mit der neuen Vorstandsvorsitzenden Evelyn Palla ein starker Wind weht und die Zentrale als Ort des Billigstuhls identifiziert wird (genaue Zahlen zu den bevorstehenden Kündigungen sind rar), bleibt die Ausbildungsquote unangetastet – ein kleiner Triumph aus Sicht der EVG. Am Ende sind es die Azubis und Studis, die die Züge am Laufen halten – und den Kunden zumindest ab und an das Gefühl geben: Es bewegt sich doch was auf den Schienen.
Im Kern bahnt sich bei der Deutschen Bahn ein paradoxes Szenario an: Während über tausende Jobs – insbesondere in der Konzernzentrale – gestrichen werden sollen, bleibt das Einstiegsprogramm für Nachwuchskräfte unangetastet. Die Bahn sucht nach wie vor händeringend Azubis, da es immer wieder Ausfälle auf weniger frequentierten Strecken durch Personalmangel gibt, was für Fahrgäste ganz schön ärgerlich sein kann. Gewerkschaften und Personalrat drängen darauf, die Ausbildung nicht an Sparzwängen auszurichten, auch weil der ohnehin knappe Arbeitsmarkt gutes Personal schwer hergibt – ein Punkt, der angesichts des Umbaus der Infrastruktur und der geplanten Streckensanierungen besonders ins Gewicht fällt.
Laut letzten Berichten investiert die Bahn – neben den Neueinstellungen – auch in Qualifizierung und Umschulungen, um den Mitarbeitern mehr Flexibilität zu ermöglichen. Experten sehen dennoch das Risiko, dass die Nachwuchsförderung langfristig nicht reicht, wenn die Arbeitsbedingungen weiter so angespannt bleiben und bei den Strecken in die Fläche weiterhin Personal fehlt. Die aktuellen Pläne sind somit ein Balanceakt zwischen notwendigem Sparkurs und dem Zwang, den laufenden Betrieb überhaupt aufrechterhalten zu können. Der öffentliche Druck steigt, die Bahn müsse endlich nachhaltige Lösungen anpacken – allein, ob Ehrgeiz und Realität im Takt bleiben, bleibt abzuwarten.