Führungskräfte in der Krise: Warum Managerjobs schwinden

Chefposten und Leitungsfunktionen sind in Deutschland spürbar auf dem Rückzug – für viele, gerade im Mittelbau, ein harter Schlag.

heute 09:25 Uhr | 31 mal gelesen

Den eigenen Namen auf dem Türschild eines Vorstandsbüros? Der Weg dorthin dürfte beschwerlicher denn je geworden sein. Nach Angaben von Index Research, ausgewertet für die "Welt am Sonntag", ist die Zahl der ausgeschriebenen Managerjobs – also ganz oben im Unternehmensregal – in den ersten zehn Monaten dieses Jahres ordentlich eingebrochen: Minus 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt wurden im Jahr 2023 noch rund 56.000 Spitzenpositionen angeboten, während 2024 schon jetzt lediglich 45.000 solcher Jobs zu finden waren – ganze 20 Prozent weniger. Jürgen Grenz, Chef von Index Research, erklärt das mit einer Art Schockstarre: In angespannten Zeiten, wenn es in den unteren Etagen ohnehin rumort, setzt kaum jemand gerne einen neuen Chef ein. Das kennt man noch aus der Finanzkrise 2008 – oder dem Durcheinander während der Pandemie. Schließlich will niemand in unruhigen Gewässern einen neuen Kapitän ans Steuer setzen. Wenn sich die Wogen glätten, wird dann mancher Wechsel nachgeholt, aber bis dahin gilt oft: Ruhe bewahren und Stillstand oben. Interessanterweise ist nicht nur das Top-Management betroffen. Auch Bereichs-, Abteilungs- und Projektleiter trifft die Flaute: Laut Index-Research wurden in 2024 auf allen bekannten Plattformen etwa 1,13 Millionen solcher Positionen ausgeschrieben – sechs Prozent weniger als im Jahr zuvor. Ziemlich deutlich, wenn man berücksichtigt, dass viele dieser Stellen als Sprungbrett in noch höhere Gefilde verstanden werden. Sophia von Rundstedt, die seit Jahren Menschen beim beruflichen Abschied coacht, bringt noch eine weitere Dimension ins Spiel: Das Mittelfeld der Manager werde "doppelt in die Zange genommen". Einerseits müssen sie die Umbrüche umsetzen, die von oben als Restrukturierung befohlen werden – und andererseits läuft das Restrukturieren eben auch gegen sie selbst. Die paradox klingende Rolle als Change-Agent auf Abruf bekommt eine neue Note, wenn Künstliche Intelligenz ins Spiel kommt. Von Rundstedt sieht die Entwicklung mit gemischten Gefühlen: Heute werden sie dringend gebraucht, Morgen könnten sie sich bereits überflüssig machen.

Die Karrierechancen für Führungskräfte in Deutschland haben sich jüngst massiv verschlechtert – sowohl für Top-Manager als auch für das mittlere Management ist das Angebot an offenen Stellen spürbar geschrumpft. Dies spiegelt die Unsicherheit vieler Unternehmen wider, die in Krisenzeiten eher zögerlich bei der Neubesetzung von Führungspositionen agieren, um die eigene Organisation zu stabilisieren. Laut neueren Berichten sieht der Arbeitsmarkt allgemein verhalten aus: Ungeachtet sinkender Chefsessel bleibt der Personalbedarf in Bereichen wie IT und Pflege zwar hoch, doch bei Führungskräften herrscht Abwartehaltung – insbesondere im Zuge von Digitalisierungsdruck, wachsender Inflation und geopolitischen Spannungen. Fachkräfte in künstlicher Intelligenz, Nachhaltigkeit oder Transformation finden weiterhin Chancen, doch klassische Managementrollen stehen zunehmend auf dem Prüfstand, da Unternehmen flexibler und agiler aufstellen und Hierarchien abbauen. Diese Trends werden durch anhaltende wirtschaftliche Unsicherheiten, die Digitalisierung der Arbeitswelt und steigende Anforderungen an Wandel und Innovation verstärkt.

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