Mal ehrlich: Wenn man über neue Eisenbahnstrecken in Deutschland nachdenkt, könnte man meinen, da sei der Fortschritt im Dauerurlaub. Seit 2016 wurden gerade mal 240 Kilometer an Fernstrecken, hauptsächlich für die flotte Fahrt mit dem ICE, in Betrieb genommen – und darunter fallen schon die 23 frischen Kilometer, die erst jetzt zum Fahrplanwechsel ans Netz gehen. Besonders bitter schmeckt das, wenn man zum Vergleich mal in die Vergangenheit schaut: Zwischen 2006 und 2015 schaffte man immerhin noch 350 Kilometer (Nürnberg-Ingolstadt etwa), davor sogar fast 500 Kilometer. Noch weiter zurück, in den 80ern und frühen 90ern, war der Ausbau ähnlich flotter unterwegs. Das zeigt eine aktuelle Auswertung der 'Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung' mit Daten aus Regierungsberichten und Zahlen der Deutschen Bahn.
Und während die Bahn ausgebaut wird wie im Schneckentempo, wurden im gleichen Zeitraum deutlich mehr neue Autobahnstücke eröffnet – rund 250 Kilometer seit 2016, und obendrauf wurden viele bestehende Strecken um Fahrstreifen erweitert. Mehrere hundert Kilometer Bundesstraßen sind außerdem neu oder vierspurig gebaut worden. Die immer wieder proklamierte Vorfahrt für die Bahn sieht zumindest bei Neubaustrecken ziemlich fahl aus.
Interessant aber ist auch: Der Straßenbau läuft zwar besser als beim Zug, blüht aber auch nicht mehr so wie früher. Heute werden nur noch halb so viele neue Kilometer Autobahn oder Erweiterungen fertig wie im letzten Jahrzehnt. In den Siebzigern und Achtzigern war das mal ganz anders – fast jedes Jahr kamen 400 Kilometer frische Autobahn dazu. Kurios, wie sich Gewohnheiten ändern.
Trotz milliardenschwerer Infrastrukturfonds bleibt die echte „Verkehrswende“ also aus, zumindest was Neubau angeht. Gerade mal 140 Kilometer Autobahn sind derzeit im Bau – bei der Bahn sieht es noch düsterer aus. Und geplante Mammutprojekte wie Frankfurt–Mannheim oder Hannover–Hamburg? Hängen weiterhin im luftigen 'Irgendwann-mal'-Status. Das Verkehrsministerium verweist darauf, dass die prallen Investitionen vor allem in Sanierung und Erhalt fließen – große Versprechen, kleine Resultate. Wer auf neue Strecken wartet, braucht also Sitzfleisch. Oder ein gutes Buch für die nächste Bahnfahrt.
In den letzten zehn Jahren ist der Ausbau des deutschen Bahnnetzes beinahe zum Erliegen gekommen – gerade einmal 240 Kilometer neue Fernbahngleise sind entstanden. Während sich der Straßenbau zumindest langsam weiterentwickelt, werden Bahnprojekte meist angekündigt, aber kaum umgesetzt – wichtige Vorhaben wie Frankfurt–Mannheim oder Hannover–Hamburg warten weiterhin auf den ersten Spatenstich. Aktuelle Medien berichten außerdem, dass die Deutsche Bahn nun stärker auf die Sanierung ihres Netzes setzt, anstatt auf den Neubau: So schreibt die FAZ, dass Engpässe und Verspätungen durch den Sanierungsstau eher noch zunehmen könnten, was die Zuverlässigkeit des Bahnverkehrs weiter gefährdet. Auch die ZEIT betont, dass jahrelange Planungsverfahren und fehlende Fachkräfte den Ausbau verzögern. Die Süddeutsche berichtet, dass viele Bahnprojekte an Kostenexplosionen und politischen Streitereien scheitern.