Veronika Grimm, die als eine der bekanntesten Ökonominnen Deutschlands zur sogenannten 'Wirtschaftsweisen'-Runde gehört, blickt der Rentenkommission, die demnächst ihre Arbeit aufnehmen soll, mit tiefer Skepsis entgegen. „Das Rentenpaket, das die Regierung gerade verabschiedet hat, nimmt der Kommission fast jede Möglichkeit zur Kurskorrektur – Kosten werden festgeschrieben und Gestaltungsspielräume quasi ausgesperrt“, meint Grimm im Gespräch mit Focus. Sie hält es für „praktisch ausgeschlossen“, dass ein paritätisch besetztes Gremium jetzt noch eine Kehrtwende einleiten kann. Sie warnt außerdem vor zunehmend improvisierten Vorschlägen aus der Politik – etwa, das Renteneintrittsalter nur für Akademiker zu erhöhen, was sie als unausgegoren und teils lebensfremd empfindet. "Soll das dann bedeuten, dass ein Taxifahrer mit VWL-Studium länger arbeiten muss? Irgendwie absurd.", wirft sie provokant ein.
Auch bei Bürgergeld und anderen Reformvorhaben sieht Grimm wenig Grund zur Hoffnung: "Die aktuelle Rentenentscheidung macht absolut keinen Mut. Und selbst beim Bürgergeld sehe ich ein ähnliches Modell – kaum Bewegung, Reformen werden halbherzig angepackt." Das Arbeitsministerium, so Grimm, suche lieber nach neuen Schlupflöchern, statt tatsächlich etwas zu verändern. Ihr Vertrauen in strukturelle Reformbereitschaft der Politik? "Ehrlich, das ist im Moment ziemlich am Boden."
Sie kritisiert außerdem beide Parteien der Regierung: Die SPD täusche soziale Politik nur vor und lasse dabei gerade die Schwächsten zurück – man verspricht viel, aber liefert wenig, lautet ihr Vorwurf. "Am Ende werden die Bedürftigsten zur Zielscheibe von Symbolpolitik." Auch die CDU gehe nicht wirklich neue Wege. "Was die Regierung da aufführt, wirkt eher wie ein tägliches Schauspiel des Nichtstuns" – ein Fazit, das man so selten so deutlich hört.
Veronika Grimm beurteilt die Erfolgsaussichten der neuen Rentenkommission als minimal. Wegen des bereits beschlossenen Rentenpakets sieht sie kaum Spielraum für substanzielle Änderungen, da wichtige Entscheidungen bereits getroffen wurden. Grimm äußerst zudem grundlegende Zweifel am politischen Willen beider Regierungsparteien, tatsächliche Reformen umzusetzen, und kritisiert die aktuelle Sozialpolitik als kontraproduktiv und hauptsächlich symbolisch – sowohl im Renten- als auch im Bürgergeldbereich. — In den letzten 48 Stunden haben verschiedene deutsche Medien erneut auf die angespannte Rentenpolitik hingewiesen: Die Süddeutsche Zeitung berichtet über die schwierige Finanzierung der gesetzlichen Rente angesichts wachsender Kosten; außerdem kommt in mehreren Artikeln zur Sprache, dass die Koalition starke interne Konflikte zu wirklichen Strukturreformen hat (etwa bei der Frage nach längerem Arbeiten oder höheren Beiträgen). Viele Beobachter halten die Chancen auf Konsens für äußerst gering. Ergänzend wird online diskutiert, wie Rentenstabilität und Generationengerechtigkeit miteinander vereinbar sein könnten, ohne einzelne Gruppen wie Geringverdiener oder Akademiker besonders zu belasten.