Jana Crämer im Gespräch: Ein Roman, der das Leben mit Lipödem endlich sichtbar macht

Bayreuth – Jana Crämer ist für viele längst viel mehr als nur eine Autorin: Auf Social Media, in ihren Lesungen und durch ihren offenen Umgang mit eigenen Herausforderungen zieht sie Menschen regelrecht in ihren Bann. Nach ‚Das Mädchen aus der 1. Reihe‘ legt sie jetzt nach – mit einer Fortsetzung, die nicht einfach aufwühlt, sondern echte Perspektiven für Betroffene schafft. Erstmals steht in ihrem neuen Buch eine Protagonistin im Mittelpunkt, die sich mit der Krankheit Lipödem auseinandersetzen muss und dabei zeigt, wie dünn oft die Grenze zwischen Verzweiflung, Hoffnung und Selbstakzeptanz wirklich ist. Im exklusiven Interview mit medi berichtet Crämer, wie viel eigene Erfahrung tatsächlich in ihrer Romanfigur steckt.

28.10.25 10:01 Uhr | 22 mal gelesen

Frau Crämer, Sie haben selbst Lipödem – welche Veränderung erhoffen Sie sich durch Ihr Buch? „Viele Frauen erleben die Diagnose Lipödem wie einen jähen Absturz – als würde ihnen zu Boden gezogen. Erst wenn man selbst betroffen ist, trifft einen das Thema mit voller Wucht. Das wollte ich durchbrechen: eine Heldin schaffen, bei der andere Mut schöpfen – die zeigt, dass man sich nicht verstecken muss, auch wenn der Alltag oft Kräfte raubt. Was mir dabei wichtig ist: Man wächst an seiner Situation, nicht weil sie leichter wird, sondern weil man Schritt für Schritt besser lernt, damit umzugehen und Verantwortung für sich zu übernehmen." Die Rolle von Fachpersonal? „Die Unterstützung etwa im Sanitätshaus ist ein echter Anker. Vielen ist gar nicht klar, wie sehr einfühlsame Beratung und kleine Gesten die Welt verändern können.“ Steckt Ihre Geschichte wirklich in der Figur Lea? „Im Grunde schon: Ihre Zweifel, die Unsicherheit beim Anziehen, das Sich-zurückhalten – das habe ich alles selbst gefühlt und gedacht. Die Szene beim Arzt hat mich besonders berührt: Ich habe sie so geschrieben, wie ich sie mir für jede Patientin wünsche – voller Respekt und Klarheit.“ Was sagen die Leserinnen? „Die ersten Reaktionen waren bewegend: Viele schreiben, sie fühlen sich endlich verstanden oder finden durch Lea ein Stück weit mehr zu sich selbst. Besonders schön ist, dass auch Menschen ohne Lipödem erzählen, wie der Roman ihre Sicht auf Körper und Weiblichkeit verändert." Über das Buch: Lea, die Protagonistin, hat augenscheinlich alles – einen Traumjob mit viel Reiselust, echte Freundinnen, eigentlich läuft vieles rund. Aber in ihr brodelt ein Gefühl von Fremdheit dem eigenen Körper gegenüber, die ständige Angst, entdeckt zu werden und die ewige Suche nach Akzeptanz. Erst eine überraschende Diagnose und ein virales Erlebnis zwingen Lea, sich zu fragen: Lässt sie die Fassade fallen – oder bleibt der Mut zum Neuanfang aus? ISBN: 978-3-95751-417-2. Weitere Infos und Lesebeispiele gibt es über www.hockebooks.de.

Jana Crämer bringt mit ihrem neuen Roman einen bisher selten beleuchteten Aspekt chronischer Krankheit in die breite Öffentlichkeit: Das Leben mit Lipödem. Anders als viele Romane, die Krankheit ins Dramatische oder Banale ziehen, versucht sie eine Balance: Authentizität, ohne in den Schmerz oder die Überzeichnung zu verfallen. Gerade durch die Verbindung zu den eigenen Erlebnissen schafft Crämer ein Verständnis und gibt Betroffenen wie Außenstehenden neue Perspektiven auf Selbstwahrnehmung und gesellschaftliche Tabus rund um Körper, Gewicht und Diagnose. Nach aktuellem Stand sind in Deutschland rund 10 Prozent aller Frauen vom Lipödem betroffen, viele werden jedoch erst spät oder gar nicht richtig diagnostiziert, was zu Frustration und psychischem Druck führt. Die medizinische Behandlung konzentriert sich bislang auf Kompressionstherapie und Bewegung, umfassende Aufklärung oder psychische Begleitung fehlt oft. Umso wichtiger ist es, dass Werke wie Crämers Roman Gespräche anstoßen und Vorurteile abbauen. Aktuell diskutieren auch viele Medien die mangelnde gesellschaftliche Sichtbarkeit und Versorgungslücken bei seltenen Diagnosen wie dem Lipödem.

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