„Rape Tapes“: Justizministerin fordert Verbot von Vergewaltigungsvideos – Betroffene spricht über ihre Angst

Aufrüttelnde Enthüllungen aus Niedersachsen – Nach umfassenden Recherchen des NDR zu international organisierten Vergewaltigern will Niedersachsens Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann (SPD) den bloßen Besitz von Vergewaltigungsvideos Erwachsener unter Strafe stellen. Die Betroffene „Marlene“ erzählt im neuen Podcast „Rape Tapes“, wie die Verbrechen ihres Ehemanns ihr Leben erschüttern.

heute 06:14 Uhr | 19 mal gelesen

Es gibt Geschichten, bei denen einem ganz unweigerlich die Kehle trocken wird. Die jüngste Recherche des NDR – jetzt nachhörbar im Podcast „Rape Tapes“ (Teil von „11KM Stories“) – gehört mit bedrückender Deutlichkeit dazu. Ein Netzwerk von Männern, das weltweit organisiert Misshandlungen an Frauen plant, filmt und in digitalen Zirkeln teilt – das klingt derart absurd und gleichzeitig, wie die Abgründe einer Welt, die näher ist als einem lieb sein kann. Im Zentrum steht „Marlene“ (Name verändert) aus Niedersachsen – die Frau, deren Leid ans Licht kam, als ihr eigener Mann monatelang in den Fokus der Ermittler geriet. Als Polizeibeamte die Wohnung der Familie durchsuchten, fanden sie Tabletten, Speichersticks – den Schlüssel zu einem Archiv von Demütigungen und systematischem Missbrauch. Pikant, oder eher erschreckend: Tausendfache Abrufe auf Pornoseiten, offene Gruppen in Messenger-Apps, in denen Täter K.o.-Tropfen, Dosierungen und Tricks diskutieren, als ginge es um das nächste Backrezept. Besonders zynisch: Erst durch die Ermittlung erfährt Marlene, was ihr über Jahre angetan wurde. Ihre Erinnerungen – gebrochen – schieben sich seither wie Schatten durch ihre Träume. Im Interview beschreibt sie ihr Gefühl des Ausgeliefertseins, die Ohnmacht nach dem Aufwachen. 'Manchmal habe ich Angst, dass diese Videos wieder gepostet werden – und weiß, ich habe keine Kontrolle mehr.' Ihre Worte klingen nach, schwer und eindringlich. „Ich verstehe bis heute nicht, dass er das getan hat“, sagt Marlene, und zwischen den Zeilen spürt man, wie sehr der Alltag für Betroffene nach solchen Erfahrungen zu kämpfen wird. Die Ermittlungen legten auch eine Gesetzeslücke bloß: Der Besitz solcher Aufnahmen ist bislang nicht explizit illegal, solange keine Minderjährigen gefilmt wurden. Justizministerin Wahlmann fordert nun, genau das ins Strafrecht aufzunehmen. Sie sagt, jedes Abspielen der Videos sei eine neue Gewalt. Heute diskutieren die Justizministerinnen und -minister der Länder, ob sie diese Regelung unterstützen. Marlene indes bleibt zurück – mit wachsender Angst, dass ihr Albtraum im Netz weiterlebt. Ein bedrückendes Beispiel, wie schnell digitale Gewalt ein ganzes Leben zerstören kann – und wie schwer Gesetz, Gesellschaft und Ermittler sich immer noch tun, dem etwas entgegenzusetzen.

Der Podcast „Rape Tapes“ und die damit verbundene NDR-Recherche brachten nicht nur schockierende Details eines internationalen Täter-Netzwerks ans Licht, sondern rücken auch eine erhebliche Strafrechtslücke in den Fokus: Während Kinderpornografie zu Recht streng verfolgt wird, bleibt der Besitz von Vergewaltigungsvideos mit erwachsenen Opfern in Deutschland bisher straflos. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung sind die politischen Fronten hier nicht geschlossen: Niedersachsen will eine Verschärfung, während andere Länder und der Bund bislang abwarten. Der gesellschaftliche Umgang mit digital verbreiteten Sexualverbrechen bewegt sich auf schwankendem Grund, was die neuen Gesetzesbestrebungen außerordentlich brisant macht. Nach Recherchen von ZEIT ONLINE wächst der Druck auf Bundespolitiker nach jeder neuen Enthüllung: Es profitieren bislang zu viele Täter vom Mangel an klaren Vorschriften. Die DW berichtet zudem von einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit der Ermittler, da viele Inhalte auf Servern im Ausland liegen und Täter oft anonym agieren. Widerstand gibt es allerdings auch wegen Datenschutz- und Meinungsfreiheitsbedenken – vor allem bezogen auf die Definitionsmacht über strafbare Inhalte. Falls das Gesetz kommt, wäre das ein bedeutendes Signal für viele Betroffene, selbst wenn vergangenes Leid – wie im Fall von Marlene – damit kaum ausgelöscht wird.

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