Union fordert flexiblere Regeln bei Abschiebungen – Bundesregierung in der Kritik

In der CDU/CSU wächst der Unmut über die bisherige Zurückhaltung der Bundesregierung gegenüber dem Vorstoß von 27 europäischen Staaten, die Europäische Menschenrechtskonvention auf den Prüfstand zu stellen, um Abschiebungen zu erleichtern.

heute 11:02 Uhr | 25 mal gelesen

Über den Umgang mit Abschiebungen wird in der Union gerade wieder heftig gestritten – oder besser: gedrängt. Detlef Seif, CDU-Abgeordneter und gewissermaßen Experte für Migrationswende innerhalb der Fraktion, zeigte sich gegenüber der 'Welt' irritiert: Deutschland wolle in Europa führend beim Thema Migration auftreten, trete aber bei der Anpassung der Menschenrechtskonvention auf die Bremse. Es geht, betont er, nicht um das Kappen unverrückbarer Menschenrechte – niemand möchte Folter oder unmenschliche Behandlung akzeptieren. Dennoch, so Seif, sei es schlicht nicht haltbar, dass etwa schwere Straftäter allein wegen schwieriger Lebensverhältnisse im Herkunftsland nicht abgeschoben werden dürfen. Auch der Familien-Schutz der Konvention (Artikel 8) stelle eine Grenze dar, die seiner Meinung nach unter bestimmten Umständen überschritten werden müsse: Wer mehrfach straffällig werde oder sogar schwere Verbrechen begeht, so Seif, solle selbst bei Familienbindung abgeschoben werden können. Unionsfraktionsvize Günter Krings sekundierte: Ein Zusatzprotokoll zur Konvention könne enger festlegen, was noch als 'erniedrigende Behandlung' zu gelten habe. Blockaden auf diesem Feld würden nicht zuletzt das Vertrauen in die Menschenrechtskonvention selbst aushöhlen, so seine Warnung. Von der SPD kommt dagegen harsche Kritik: Gabriela Heinrich fürchtet eine politische Einmischung bei der Auslegung der Konvention und bezeichnet die laufende Debatte sogar als Angriff auf die Unabhängigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Sie sieht darin einen Versuch, zentrale Prinzipien der Menschenrechte neu zu zurechtzustutzen. Hintergrund: 27 europäische Staaten, darunter die meisten EU-Mitglieder, hatten im Dezember 2023 zu einer Diskussion über die Auslegung der Konvention geladen. Die Bundesregierung bleibt bislang abwartend. Alle Länder des Europarates wollen bis 2027 eine gemeinsame Erklärung zu Migration und Menschenrechten abgeben – das politische Tauziehen geht also noch eine Weile weiter.

Im Kern pochen Unionspolitiker auf mehr Entscheidungsspielraum für Abschiebungen – sie kritisieren, dass Menschenrechte ihres Erachtens zu weit interpretiert werden, was Abschiebungen selbst bei Schwerkriminellen verhindere. Die Bundesregierung enthält sich einer Teilnahme an einem internationalen Vorstoß, die Europäische Menschenrechtskonvention in diesem Sinne anzupassen. Kritiker, vor allem aus der SPD, warnen indes davor, Prinzipien der Menschenrechte dem politischen Tagesgeschäft unterzuordnen und die richterliche Unabhängigkeit anzugreifen. Das Thema bleibt brandaktuell: Laut Berichten der "Tagesschau" und anderer Quellen wird die Debatte unterdessen auch in anderen europäischen Ländern geführt – Schweden etwa verschärft derzeit seine Asylgesetze und argumentiert mit ähnlichen Fragen wie die Union. In Brüssel gibt es zudem intensive Beratungen über eine EU-weite Reform der Migrationspolitik, die einen Umgang mit problematischen Abschiebefällen sucht. Und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, angesichts politischer Angriffe, bekräftigte erst diese Woche seine Unabhängigkeit und die Bedeutung seiner Urteile für die europäische Rechtsordnung. Im Netz wird diese Stoßrichtung kontrovers diskutiert. Die einen sehen darin notwendige Realpolitik, um Staatlichkeit und Sicherheit zu wahren, die anderen befürchten einen Präzedenzfall, der wichtige rechtsstaatliche Kontrollinstanzen ins Wanken bringt.

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