Irgendwann ist immer irgendwer dran, einen Tapetenwechsel zu fordern – diesmal war es Jan van Aken von den Linken. In einem Politico-Gespräch schlug er vor, dass sich EU-Spitzenpolitiker wie Olaf Scholz und Emmanuel Macron am besten Seite an Seite auf nach Peking machen sollten. Warum? Weil der chinesische Präsident Xi Jinping, so van Aken, das nötige Gewicht hätte, um Präsident Putin an den Verhandlungstisch zu bringen – einer Einladung aus Peking würde der russische Präsident sich kaum entziehen, meint van Aken. Und China? Habe sich wohl bemerkt immer wieder relativ klar gegen den Krieg positioniert, zumindest in der Hinsicht, dass er dem internationalen Handel und der Stabilität schade, aber ohne direkt mit Militärgütern einzuspringen.
Neben all den diplomatischen Gedankenspielen hakt van Aken gnadenlos ein: Die Sache sei festgefahren und ohne Pekings Zutun keine Bewegung möglich. Dazu müsse allerdings mehr passieren, besonders wirtschaftlicher Druck gegen Russland, Stichwort "Schattentanker", die trotz Sanktionen Observationsrunden vor europäischen Küsten drehen – und bislang kaum Gegenwind spüren.
Noch eine Ansage von van Aken: Er bleibt dabei, dass Waffenlieferungen nicht der richtige Weg seien. Solange die gesamte Bandbreite der anderen Optionen nicht wenigstens einmal ernsthaft probiert wurde, seien Lieferungen fehl am Platz. Die Unterscheidung, ob es sich dabei um offensive oder defensive Waffen – etwa Raketen – handele, sei seiner Meinung nach eine theoretische Spielerei und „funktioniert nur in der Theorie, nie in der Praxis“. So klingt jemand, der den Tanker nicht einfach weiterdrehen lassen will.
Um ziemlich ehrlich zu sein: Van Akens Vorschlag, China als Vermittler im Ukraine-Krieg einzuspannen, ist keineswegs abwegig – gerade weil Peking sowohl wirtschaftlich als auch politisch zwischen den Fronten laviert wie kaum jemand sonst. Peking betont offiziell seine Neutralität und setzt auf diplomatische Initiativen, auch wenn es bei westlichen Ländern dafür viel Skepsis gibt; jüngst hat Bloomberg berichtet, China arbeite diskret an Gesprächskanälen mit Europa und den USA, allerdings bisher ohne konkrete Durchbrüche. Nicht unwichtig: In diesem Zusammenhang sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kürzlich, dass der Ukraine-Krieg gerade wegen Chinas zurückhaltender Haltung riskant in seiner Länge werden könnte, und dass die Rolle Chinas im Moment stärker beobachtet werde als noch vor wenigen Monaten. Gleichzeitig wächst in deutschen Medien die Kritik, dass die Sanktionsumgehung – besonders im Ölsektor durch sogenannte Schattentanker – weiterhin zur russischen Resilienz beiträgt. Und damit sind wir wieder bei van Akens Ausflug zu den Tankern, die niemand zu stoppen versucht. Letztlich bleibt offen, ob die EU wirklich zu einer gemeinsamen Reise nach Peking aufbricht – intern gibt es bekanntermaßen zahlreiche Rivalitäten, die solche symbolischen Gesten erschweren. Trotzdem erfährt der Gedanke, China diplomatisch stärker einzubinden, auch außerhalb der Linkspartei durchaus Zustimmung – spätestens seitdem Olaf Scholz wie Emmanuel Macron vorsichtige Annäherungen an Peking suchen, ohne dafür jedoch eine vollständige Strategie vorzulegen.