Schon seit der russischen Annexion der Krim und erst recht seit dem großangelegten Angriff auf die Ukraine ist die Frage nach Bündnis- und Landesverteidigung wieder drängend aktuell. Wieder richtet sich der Blick auf Mechanismen, Erfahrungen und auch Versäumnisse des Kalten Kriegs; nicht nur in Militärkreisen, sondern zunehmend auch in Gesellschaft und Politik. Wie viel lassen sich heute Bundeswehr und NATO von der Vergangenheit sagen? Oder holt man bloß alte Geister zurück und übersieht dabei die neuen Risiken?
Die Tagung nimmt genau das zum Anlass: Sie beleuchtet, wie zivil-militärische Vorbereitung und staatlicher Schutzauftrag damals zusammenspielten – oder auch nicht. Interessant ist, dass in den Debatten oft zivile Aspekte dominieren und der konkrete militärische Blick unter den Tisch fällt. Dabei waren gerade die Jahre zwischen 1979 und 1989 geprägt von Unsicherheit, Doppelbeschluss, massiver Auf- wie Abrüstung. Was bedeutet das für aktuelle Verteidigungsstrategien, bei wachsendem Misstrauen zwischen Staaten? Welche Anknüpfungspunkte bieten die 1980er wirklich, und wo sind die Unterschiede von heute nicht wegzuwischen?
Mit Vorträgen, Panels und Diskussionsrunden verspricht das Programm tiefe Einblicke – auch, weil es gewohnt ist, unbequeme Fragen zu stellen. Die Veranstaltung läuft im Mightytwice Hotel, Dresden. Wer mehr wissen möchte, findet Details und das finale Programm online auf der Webseite des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften.
Die 64. Internationale Tagung für Militärgeschichte will nicht nur in der Vergangenheit wühlen, sondern Verbindungen und Sackgassen zwischen Früher und Heute sichtbar machen. Diskutiert werden sowohl die Konvergenzen als auch die wachsenden Distanzen zwischen der Bundesrepublik der 1980er und dem sicherheitspolitisch alarmierten Europa von 2025. Manche Historiker mahnen, der Kalte Krieg eigne sich nur bedingt als Blaupause für heutige Herausforderungen, da strategische, technologische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sich radikal verändert haben – andere sehen darin einen ungenutzten Wissenspool. Die diesjährige Tagung nimmt sich vor, gemeinsam mit kritischen Stimmen aus dem In- und Ausland, blinde Flecken zu erhellen – und dabei auch unbequeme Realitäten zu thematisieren.
Zusätzlich berichten mehrere Nachrichtenquellen über einen wachsenden Trend zu sicherheitspolitischen Debatten in Deutschland: So hat Kanzler Scholz jüngst erneut auf die Dringlichkeit von Wehrfähigkeit hingewiesen und die innerdeutschen Debatten um die Wehrpflicht neu entfacht. Zugleich existiert eine zunehmende Verstimmung zwischen NATO-Staaten hinsichtlich der langfristigen Strategie gegenüber Russland, wie die Süddeutsche Zeitung und die FAZ in ihren Analyseformaten berichten. Für viele Expert:innen bleibt die große Frage: Wie gelingt die Balance zwischen notwendigen Investitionen in den Schutz und dem Schutz liberaler Gesellschaften vor einer Militarisierung des öffentlichen Lebens?