Manchmal spukt eine Geschichte so lange durch eine Stadt, dass sie sich anfühlt wie ein Schatten in den Straßen. Rafael Blumenstocks Tod, irgendwann Ende 1990 auf dem Ulmer Münsterplatz, bleibt so ein Gespenst. Gerade mal 28, nur ein paar Meter entfernt vom Herzstück der örtlichen Polizei, wurde er brutal ermordet – und niemand weiß bis heute, wie alles kam. War es sein Anderssein, das ihn zur Zielscheibe machte? Oder verbirgt sich noch eine ganz andere Erklärung?
Podcast-Host Chiara Battaglia, neugierig und ein bisschen trotzig, weil andere schon längst aufgegeben haben, durchkämmt das Ulm der späten Achtziger. Sie versucht, Leute aufzuspüren, die mehr wissen könnten. Vielleicht gibt ihr letzter Vorstoß endlich einen Funken Licht.
Der siebenteilige Podcast 'Der Schrei – Der rätselhafte Fall Rafael Blumenstock' steht ab 16. Oktober in der ARD Audiothek bereit. Woche für Woche gibt es ein neues Kapitel zu hören.
Wer war Rafael Blumenstock wirklich?
Blumenstock, das Stadtgespräch, der Provokateur – und, wie es heute heißen würde, vermutlich queer. Lippenstift, Handtasche, große Auftritte, und oft nicht das, was seine Mitmenschen von ihm erwarteten. Interviews mit Weggefährten zeigen: Er war vielschichtiger als sein Ruf – sperrig, bunt, verletzlich und nie ausrechenbar.
Neue Spuren oder Sackgassen?
Die Podcastmacher:innen sprachen auch mit der Hauptzeugin. Interessant (und erschütternd): Presseberichte damals passten oft nicht zu dem, was sie tatsächlich gesehen hatte. Vermeidbare Fehler bei Personenbeschreibungen schlichen sich ein. Während die Polizei sich anfangs auf die rechte Szene konzentrierte, blicken die Journalist:innen weiter. Sie thematisieren auch die amerikanischen Soldaten, die in Neu-Ulm stationiert waren – vielleicht führte damals eine Spur zu ihnen? Man weiß es nicht. Hinweise werden nach wie vor angenommen: podcasts@swr.de oder 0711 929 11711.
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Vor etwas mehr als drei Jahrzehnten erschütterte der Mord an Rafael Blumenstock Ulm – und bis heute lässt sich das Puzzle nicht zu Ende legen. Blumenstock polarisierte in seiner Stadt, galt als unangepasst und wurde dadurch vermutlich auch zur Zielscheibe. Mit dem neuen Podcast wollen die Macher:innen nicht nur alte Akten und neue Stimmen beleuchten, sondern auch mit jahrelangen Mythen und Fehlinformationen aufräumen. Besonders auffällig ist: In der damaligen Berichterstattung wurden Aspekte der Tat und Zeugenbeschreibungen wiederholt fehlerhaft wiedergegeben, was die Suche nach den Täter:innen erschwerte. Die Sicht auf den Fall öffnet auch eine Zeitreise in die Ulmer Subkultur und die gesellschaftlichen Spannungen der 80er. Nach neuer Recherche der Süddeutschen Zeitung ist der Fall Blumenstock exemplarisch für eine Zeit, in der queere Menschen nicht nur Diskriminierung, sondern potenziell tödlichen Anfeindungen ausgesetzt waren. Die Zeit berichtete aktuell, dass durch Podcasts wie diesen nicht selten alte Cold Cases wieder in Fahrt kommen und immerhin gesellschaftliche Debatten anstoßen. Viele Hinweise können noch heute, mit modernen Techniken, vielleicht doch noch letzte Puzzlesteine liefern.
Schwerpunkte anderer Leitmedien zu diesem Thema
1. Ein umfangreicher Artikel auf sueddeutsche.de beschäftigt sich mit ungeklärten Verbrechen der 80er und 90er Jahre, darunter auch queere Opfer, und beleuchtet, wie gesellschaftliche Stigmatisierung die Ermittlungen stark beeinflusst haben könnte. Der Text zieht Parallelen zwischen alten und aktuellen Fällen und macht deutlich, dass Medienberichte von damals oftmals Falschinformationen führten. Inzwischen werden moderne Formen der Recherche und die Aufmerksamkeit durch Podcasts als Chance für neue Ermittlungsansätze gesehen. Quelle: Süddeutsche Zeitung
2. Zeit.de geht in einem frischen Beitrag auf den Trend ein, dass True-Crime-Podcasts wie 'Der Schrei' in der Öffentlichkeit für alte Kriminalfälle neue Dynamik schaffen. Am Beispiel mehrerer ungelöster, auch queerfeindlicher Straftaten, wird gezeigt, wie offene Fragen weiter für gesellschaftlichen Druck sorgen und teilweise zu neuen Ermittlungen führen. Zudem wird reflektiert, wie sich gesellschaftliche Wahrnehmung von Minderheiten in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat. Quelle: Die Zeit
3. Krautreporter schildert in einer langen Analyse, wie sich der Umgang mit ungelösten Mordfällen und den Angehörigen in Deutschland verändert hat und wie Medienarbeit zwischen Sensationsgier und gesellschaftlichem Auftrag balanciert. Unter anderem wird berichtet, dass Podcasts inzwischen sogar von Polizei und Ermittlern als 'dritte Ermittlerinstanz' anerkannt werden. Am Fall Blumenstock wird die problematische Zusammenarbeit von Polizei und Presse damals exemplarisch aufgezeigt. Quelle: Krautreporter