Frische Stimmen im Fokus: Die neue Debütstaffel im SWR 2025

Baden-Baden – 'Debüt im Dritten' feiert vier Jahrzehnte Filmförderung und legt am 9. November (SWR) mit Sarah Neumanns 'Jenseits der blauen Grenze' einen neuen Staffelauftakt hin. Insgesamt fünf junge Regietalente gehen ins Rennen um Aufmerksamkeit und Erzählmacht.

heute 14:56 Uhr | 21 mal gelesen

Vierzig Jahre – das klingt schon fast antiquiert und doch atmet 'Debüt im Dritten' überraschend viel Gegenwart. Die Reihe, geboren 1985 mit der ziemlich kühnen Idee, junges Fiktionstalent mit Ressourcen, Rückendeckung und dem nötigen Schubs ins kalte Wasser zu schicken, hat sich über 200 Produktionen und etliche Fernseh-Nachwuchsserien hinaus entwickelt. Immer neu, manchmal ruppig, meistens überraschend, vor allem aber immer auf der Suche nach dem einen Blickwinkel, den es vorher so noch nicht gab. 2024 gab es für das Durchhaltevermögen sogar den Ehrenpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste – von außen ein Schulterklopfen, von innen der Ansporn, genauso weiterzumachen. In der 2025er Staffel nimmt der SWR wieder fünf Debütfilme in die eigene Primetime-Auslage. Die Mischung könnte schroffer kaum ausfallen: Von Ostsee-Flucht und Freundschaft in der DDR, Existenzkämpfen illegaler Bauarbeiter, Elternschaft mit Knast, einem Sammlerinnen-Wohnungsuniversum voller Dinge bis hin zu traditionell-patriarchalen Rollenerwartungen. Namen wie Sarah Neumann, Natja Brunckhorst, Tuna Kaptan, Chiara Fleischhacker und Milena Aboyan stehen für unterschiedliche filmische Handschriften und Lebenswege. Den Auftakt macht 'Jenseits der blauen Grenze' (9.11., SWR/ARD Mediathek). Hanna trainiert als DDR-Schwimmerin ihren besten Freund Andreas für eine waghalsige Ostsee-Flucht – eine intensive Freundschaft, ein Sommer 1989 und jede Menge Wasser zwischen altem Leben und Zukunftswunsch. Sarah Neumanns Debüt nach Dorit Linkes Buch verzichtet auf Kalter-Krieg-Klischees und fährt stattdessen die ganze Wucht jugendlichen Aufbegehrens auf. Am 16. November folgt Natja Brunckhorsts schräge Tragikomödie 'Alles in bester Ordnung': Zwei Gegenpole – Sammlerin Marlen (Corinna Harfouch) und Minimalist Fynn (Daniel Sträßer) – prallen aufeinander. Der Plot wirkt wie die Antwort auf KonMari und die Überflussgesellschaft, aufgeraut mit Wortwitz und jeder Menge liebevoller Schrulligkeiten. 'Rohbau' (23.11.), geschrieben von Fentje Hanke und inszeniert von Tuna Kaptan, schickt illegal beschäftigte Migranten und kalt kalkulierende Bauleiter auf toxische Irrfahrten zwischen Schweigen, Schuld und plötzlicher Nähe. Hauptfigur Irsa, 14 Jahre alt und ziemlich unbeirrbar, wird zum leisen Stachel gegen das Wegsehen. Mit 'Vena' (30.11.) tastet sich Chiara Fleischhacker an ein Tabuthema heran: Geburt im Gefängnis, Sucht, Angst vor Verantwortung. Ihr Film beobachtet Jenny zwischen Gesetz, Drogen und Schwangerschaft ohne Voyeurismus – hart, ungeschminkt, fast schon zu nah. Dennoch entgegen aller Düsternis ein Hoffnungsschimmer: Vertrauen entsteht, auch dort, wo es eigentlich unmöglich scheint. Zuletzt (14.12.) 'Elaha', das Spielfilm-Debüt von Milena Aboyan. Es geht um Selbstbestimmung, Jungfräulichkeit und Tradition zwischen Anpassung und Widerstand. Der Film lässt die Protagonistin in Grauzonen leben und verhandelt die neuen Spielregeln im alten Korsett – leise, tastend, irgendwie unbequem. Fünf Abende, fünf Lebenswelten, fünf Mal voller Fokus auf das, was Kino zu erzählen vermag, bevor die Handschrift zum zweiten Film ansetzt. Wer gezielt sucht: Bildmaterial und Infos gibt’s wie immer beim SWR direkt.

Mit der 2025er Staffel von 'Debüt im Dritten' feiert der SWR vier Jahrzehnte gezielte Nachwuchsförderung im Bereich Spielfilm und Serie – ein in der deutschen TV-Landschaft seltener, beharrlicher Ansatz, der seit 1985 überraschende Karrieren wie jene von Fatih Akin, Emily Atef oder Detlev Buck hervorgebracht hat. Die aktuelle Staffel bietet fünf Erzählstimmen, die sich – neugierig, schonungslos, aber nie zynisch – in existentiellen und gesellschaftlich drängenden Themen abarbeiten. Zeitgleich zeigt sich der deutsche Filmsender öffentlich-rechtlich als lebendig, divers und offen für neue Erzählweisen und Perspektiven. Aktuelle Recherchen verweisen übrigens auf die anhaltende Unsicherheit bei drehtalentiertem Nachwuchs, die sich aus geringem Förderbudget, ökonomischen Hürden und begrenztem Sendeplatz ergibt. Gerade das macht Initiativen wie 'Debüt im Dritten' wertvoll. In Diskussionen um Diversity fördern solche Reihen Diskurs auch hinter der Kamera – also endlich mehr Frauen, Migrant:innen und unorthodoxe Lebensläufe im Filmbetrieb. Viele aktuelle Medienbeiträge wie bei der 'Süddeutschen', 'Spiegel' oder 'taz' greifen diese Schwerpunkte ebenfalls auf (siehe unten).

Schlagwort aus diesem Artikel