Grüner Bundesparteitag: Aufbruch in Hannover zwischen Erneuerung und Streit

Die Grünen sind in Hannover zum wichtigen Bundesparteitag zusammengekommen – viele Weichenstellungen und Streitpunkte liegen vor ihnen.

heute 17:57 Uhr | 19 mal gelesen

Eine knisternde Unruhe lag über dem Saal, als die Delegierten am Freitagnachmittag in Hannover den Bundesparteitag der Grünen einläuteten. Nach den herben Verlusten bei der Bundestagswahl – und dem durchaus aufsehenerregenden Rücktritt der bisherigen Aushängeschilder Annalena Baerbock und Robert Habeck – ist bei der Partei so etwas wie eine Zwischenzeit angebrochen. Während draußen graue Wolken hingen, sprach Parteichefin Franziska Brantner drinnen von einem mutigen Entwurf für die Zukunft, ganz im Sinne: Jetzt oder nie. "Deutschland nach vorne bringen oder im Alten verharren – an diesem Scheideweg stehen wir", so ihre eindringlichen Worte, die teils Applaus, teils nachdenkliches Gemurmel hervorriefen. Blickt man zurück: Viele Erneuerungen, für die die Grünen einst belächelt wurden – Energiewende, Digitalisierung, Klimaziele – sind inzwischen gesellschaftlicher Standard. Brantner betonte, dass genau diese Aufbruchsstimmungen nötig seien, um neue Hürden zu nehmen. Ehrlichkeit, Verantwortung, Mut zur offenen Debatte und keine Angst vor digitalen Neuerungen – so lauten ihre Messlatten. Ganz sachlich klang der Zeitplan des Abends. Bereits am Freitag will man beispielsweise darüber diskutieren, ob homöopathische Behandlungen weiterhin von den Krankenkassen übernommen werden sollten – ein Thema, das erstaunlich viel Emotion in und außerhalb der Partei auslöst. Und auch die große Frage nach rassistischen Strukturen in deutschen Sicherheitsbehörden will man anpacken, was ohne Zweifel nicht überall auf Gegenliebe stößt. Ein weiteres, möglicherweise spaltendes Thema: Niklas Wagener, Bundestagsabgeordneter aus Bayern, brachte die Idee eines allgemeingültigen Pflicht-Gesellschaftsjahrs zur Sprache. Unterstützt von mehreren Landespolitikern, aber bereits jetzt mitten im parteiinternen Widerstand. Die Lage ist also ebenso offen wie brisant. Bleibt abzuwarten, ob die viel zitierte 'Aufbruchsstimmung' am Ende wirklich zündet – oder ob der Parteitag eher ein Werkstattgespräch bleibt.

Die Grünen tagen aktuell mit knapp 800 Delegierten in Hannover und suchen nach einer demokratischen und personellen Neuausrichtung, nicht zuletzt nach schwachen Wahlergebnissen und dem Rückzug bekannter Gesichter. Franziska Brantner, die neue Partei-Vorsitzende, setzt auf Zuversicht, Transparenz sowie eine gesellschaftliche Erneuerung und hebt explizit die Bedeutung digitaler Freiheit und eines ehrlicheren Dialogs hervor. Zusätzlich stehen kontroverse Themen wie die Finanzierung homöopathischer Leistungen durch gesetzliche Kassen, Rassismusvorwürfe gegen Behörden und die Idee eines verpflichtenden Gesellschaftsjahrs auf der Agenda. Laut aktuellen Medienberichten (u.a. www.spiegel.de, www.sueddeutsche.de) gibt es parteiintern scharfe Diskussionen über soziale Gerechtigkeit, Reformkurs und Umgang mit Rechtsextremismus. Auch der Ukraine-Krieg und die steigenden Energiepreise, die die Partei weiterhin als Prüfstein erleben, mischen sich in die Debatten. Insgesamt zeigt sich: Der Parteitag ist geprägt von der Suche nach neuer Orientierung und dem Spagat zwischen progressiven Visionen, Realpolitik – und enormem Druck von außen.

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