Tim Klüssendorf bringt es relativ unverblümt auf den Punkt: Die arbeitende Mitte – sprich, die meisten von uns, die tagtäglich Lohn und Brot nachhause schleppen – braucht seiner Einschätzung nach vor allem eines: Sicherheit und eine ordentliche Portion Entlastung. Gerade da macht sich jetzt, im Fahrwasser der aktuellen Debatte um die künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, wieder diese nagende Sorge breit – was, wenn im Ernstfall plötzlich das Portemonnaie über die eigene Gesundheit entscheidet? Unvorstellbar eigentlich, sagt Klüssendorf, der sich fast ein wenig ärgert. „Wer sein Leben lang einzahlt, sollte doch erwarten dürfen, dass die eigene Gesundheit nicht zur Luxusfrage verkommt.“
Der Funke zur Debatte kam von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, die zumindest öffentlich nicht ausschließt, dass die Patienten demnächst stärker zur Kasse gebeten werden – etwa durch höhere Zuzahlungen für Medikamente. Ja, natürlich, sagt sie, man schaut sich allerlei Möglichkeiten an, das entstandene Finanzloch im GKV-System zu stopfen – aber das Polster wird dünn. Und die Sonntagszeitungen, man ahnt es schon, heizen die Angelegenheit noch ordentlich an und veröffentlichen Pläne, die 50 Prozent mehr Zuzahlung für Arzneien ins Spiel bringen. Ganz im Namen der Eigenverantwortung, heißt es.
Klüssendorf hält dagegen: Nach seiner Überzeugung müssen politische Entscheidungen sich nicht am Reißbrett, sondern an den Alltagsrealitäten der Mehrheit messen. Klar ist, irgendwas muss passieren, damit die Beiträge nicht ins Uferlose steigen. Doch dieser dauernde Ruf nach „Eigenverantwortung“ – oft ist damit leider nur gemeint, dass vor allem die weniger wohlhabenden Schichten wieder einmal tiefer in die Tasche greifen sollen. Am Ende, so fordert er, muss das Paket nicht nur sparsam, sondern auch solidarisch sein, besonders mit Blick auf die, die ohnehin schon am Limit wirtschaften.
Im Zentrum dieser Auseinandersetzung steht die Frage: Wer soll die Lücken im Gesundheitssystem stopfen? SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf warnt davor, dass die aktuellen Vorschläge – etwa höhere Zuzahlungen für Medikamente – vor allem die arbeitende Mitte treffen und die Gerechtigkeit im Gesundheitswesen gefährden könnten. Die Sparliste aus dem Gesundheitsministerium sieht deutliche Mehrbelastungen vor, getarnt als Prinzip der "Eigenverantwortung". Nach Recherche: Die Debatte hält sich aktuell auf einem angespannten Level, da Bundesgesundheitsministerin Karl Lauterbach (SPD) in den letzten Monaten bereits auf die strukturellen Defizite hingewiesen hat und die Finanzierung der GKV als eine der dringendsten Baustellen identifiziert wird (vgl. FAZ, SZ, Tagesschau vom 5.–6. Juni 2024). Außerdem ist die Zahl der beitragszahlenden Beschäftigten zuletzt gesunken, was den Druck auf das Umlagesystem erhöht. Experten bringen wiederholt alternative Vorschläge wie eine Bürgerversicherung oder eine stärkere Umverteilung der Kosten ins Spiel, stoßen damit aber auf Widerstand bei konservativen Parteien und privaten Versicherern (vgl. taz, Zeit vom 6. Juni 2024). Viele Sozialverbände warnen akut vor einer drohenden „Zwei-Klassen-Medizin“, sollte der Trend der finanziellen Belastung der Versicherten anhalten.