Kinderarmut: Deutschland droht seine Jüngsten zu verlieren

Unicef Deutschland schlägt erneut Alarm: Im aktuellen Bericht zur Situation von Kindern wird deutlich, wie gravierend der Einfluss sozialer Herkunft auf die Lebenschancen der jungen Generation ist.

heute 11:58 Uhr | 17 mal gelesen

Wenn ich ehrlich bin, überrascht mich das kaum noch. Der neue Unicef-Bericht, gestern vorgestellt, ist voll von Zahlen, bei denen jeder müde wird. Über eine Million Kinder in Deutschland – das ist nicht irgendeine abstrakte Statistik, sondern der ganz normale Alltag in vielen deutschen Straßen – können sich keine neue Jacke oder ein warmes Mittagessen leisten. Irgendwie bleibt der Eindruck, dass seit Jahren zu wenig passiert. Georg Waldersee, der bei Unicef Deutschland das Sagen hat, bringt es – vielleicht schon fast resigniert – auf den Punkt: Soziale Unterschiede stehen wie ein unsichtbares Gitter zwischen Kindern und echten Zukunftschancen. Die soziale Schere geht weiter auf, das liest man ja fast reflexartig, aber wenn ich mir vorstelle, was es heißt, regelmäßig frieren zu müssen oder hungrig ins Bett zu gehen, bekomme ich einen Kloß im Hals. Sabine Walper vom Deutschen Jugendinstitut hat das alles methodisch auseinandergenommen: 28 Faktoren, zig Datenberge, das volle Programm. Fazit? Jedes siebte Kind hierzulande ist armutsgefährdet, jedes achte bekommt Bürgergeld. Noch erschreckender finde ich: Ein Elftel leidet unter echter Entbehrung – nicht mal Ersatz für kaputte Schuhe, kalte Wohnungen, fast schon heruntergekommene Lebensbedingungen. Besonders absurd dabei: Während Kindern aus gut situierten Verhältnissen alle Türen aufstehen, wächst der Rückstand der anderen permanent. Lesen klappt schlecht, digitale Fähigkeiten sind ebenfalls mangelhaft, und das Gefühl, vom eigenen Umfeld unterstützt zu werden, fehlt oft komplett. Jedes Jahr verlassen zigtausende ohne Abschluss die Schule – da fragt man sich, wie lange das noch akzeptiert wird. Schlimm ist, dass sich offenbar niemand wirklich zuständig fühlt. Es gibt keine übergreifende Strategie gegen Kinderarmut und die Finanzen gelten als Ausrede. Dabei müsste klar sein: Kinder gehören ganz nach vorn auf die politische To-do-Liste. Andere Länder schaffen mit weniger Geld bessere Bedingungen – und Deutschland, das Land der Ingenieure und Dichter, bekommt das nicht hin? Waldersee fordert deshalb gezielte Unterstützung für die, die es am meisten brauchen: Kinder von Alleinerziehenden, Großfamilien, Geflüchtete. Mehr Teilhabe, stärkere Förderung – das wäre doch wirklich mal etwas Grundlegendes. Am Ende bleibt seine Mahnung, die fast trotzig klingt: Wenn Deutschland gesellschaftlichen Zusammenhalt will, dann muss es jetzt schnell handeln. Eigentlich logisch, und doch scheinbar schwer umzusetzen.

Der Unicef-Bericht macht einmal mehr deutlich, wie weitreichend die gesellschaftlichen Folgen von Kinderarmut in Deutschland tatsächlich sind. Er kritisiert das Fehlen einer umfassenden staatlichen Strategie und die Verstetigung von Armut über Generationen hinweg. Nach aktuellen Pressemeldungen und weiterführenden Berichten wurden jüngst die Pläne zum sogenannten Startchancenprogramm konkretisiert, das gezielt Schulen in besonders benachteiligten Regionen fördern soll – allerdings bemängeln Experten, dass dies bei Weitem nicht ausreicht, um die tief verwurzelten Strukturen der Benachteiligung im Alltag zu durchbrechen. Laut Aussagen von Verbänden wird die Kluft zwischen Kindern aus wohlhabenden und armen Familien durch fehlende Investitionen und eine stockende Bildungspolitik weiter vergrößert (siehe auch Analysen von Bildungsgewerkschaften). Parallel häufen sich Forderungen nach mehr unmittelbarer finanzieller Unterstützung für Familien, besseren Wohnbedingungen sowie Zugang zu Gesundheitsangeboten – in manchen Städten, etwa in NRW oder Berlin, laufen derzeit Pilotprojekte für kostenlose Mahlzeiten an Grundschulen, was aber kein flächendeckendes Konzept ersetzt. Hinzu kommt: Die geringe digitale Ausstattung an vielen Schulen trifft vor allem ärmere Kinder hart, die ohne eigene Geräte oder stabile Internetverbindung kaum Chancen auf digitalen Anschluss haben.

Schlagwort aus diesem Artikel