Leihmutterschaft und Menschenhandel: Ein Baby aus Argentinien im Fokus der Ermittlungen

Hamburg – Ein deutsches Paar bestellte über eine Leihmutter-Agentur ein Kind in Argentinien und steht nun im Zentrum polizeilicher Ermittlungen wegen Menschenhandelsverdachts. Der NDR hat für das neue ARD-Format „team.recherche“ die Geschichte rund um das Baby Ruby* aufgearbeitet – und bietet zugleich einen Blick hinter die Kulissen eines kaum regulierten, millionenschweren Marktes.

20.10.25 07:06 Uhr | 62 mal gelesen

Auf der Messe „Wish for a Baby“ stolperten Heike und Claude auf das Angebot einer argentinischen Leihmutterschafts-Agentur. Obwohl sie schon über 50 waren, griffen sie tief in die Tasche: Rund 50.000 Euro zahlte das norddeutsche Paar für den vermeintlichen Traum vom eigenen Kind. Ein Schnäppchen? In den USA liegt der Preis oft bei über 200.000 Euro, aber viele vergessen, dass solche Angebote oft rechtliche Fallstricke bergen – gerade in Ländern wie Argentinien, wo kaum eindeutige Gesetze existieren. Hier zeigt sich die Grauzone besonders: Während Leihmutterschaft in Deutschland strikt verboten bleibt, sind Werbeagenturen für Angebote aus dem Ausland erlaubt. Doch die Umsetzung kommt mit einem Wust aus Unsicherheiten. Zuweilen suggerieren Agenturen sogar Schlupflöcher, die am Ende in echte Gesetzesverstöße ausarten. Im Fall des Babys Ruby* hat die argentinische Leihmutter, Alejandra M., laut „team.recherche“, Bargeld in Höhe von 10.000 Dollar übergeben bekommen – ein klarer Verstoß, da Bezahlung von Leihmutterschaft in Argentinien geahndet wird. Wie sie berichtet, seien ihr Treffen am Straßenrand und merkwürdige Instruktionen am Handy nicht geheuer gewesen. Aber finanzielle Not ließ Alejandra diesen Schritt machen: Geldnot kennt leider selten Moral. Ermittler vermuten inzwischen ein globales Netzwerk, in dem sich Anwaltskanzleien, Notare, Kliniken und Vermittler tummeln. Angeblich versuchen Agenturen mit Offshore-Firmen, Steuern und Gesetze zu umgehen – Zypern wird da als Beispiel genannt. Auch Carlos Leiva, der für Rubys Vermittlung arbeitete, gerät nun unter Verdacht – obwohl er abwiegelt: Rechtslage sei ein Vakuum, alles sei legal. Nur: Die argentinische Staatsanwaltschaft ermittelt in 48 Fällen wegen Menschenhandels und Ausbeutung. Auch für Heike und Claude verlief die Sache nicht glatt. Laut „team.recherche“ bekamen sie von Leiva zu hören, eine Geburtsurkunde und ein argentinischer Pass genügten – das Klinikpersonal in Deutschland sah das anders, und das Jugendamt griff ein. Der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung stand plötzlich im Raum, zumal sich Heikes Unsicherheit im Umgang mit dem Baby bemerkbar gemacht hatte. Politisch herrscht Stille: Das Thema Leihmutterschaft ist im Koalitionsvertrag gar nicht konkretisiert. Das Familienministerium hat auf NDR-Nachfrage zudem erklärt, mit den Ergebnissen einer früheren Kommission hierzu bislang nicht öffentlich umzugehen – Politik, mal wieder im Standby-Modus. Die komplette Doku „Wenn Babys zur Ware werden – das Leihmutter-Business“ ist in der ARD Mediathek abrufbar. Wer den Fall sehen will: Am 21.10. bei „Panorama 3“ und am 23.10. im Ersten – überall, wo Geschichten an den Rändern der Legalität erzählt werden. (* Name geändert)

Die Dokumentation des NDR wirft einen kritischen Blick auf die Schattenseiten des internationalen Leihmuttergeschäfts. Im Mittelpunkt steht die Geschichte eines deutschen Paares, das in Argentinien über eine Agentur ein Kind austragen lässt und dabei unbewusst mit Gesetzen kollidiert, die Menschenhandel und Ausbeutung verhindern sollen. Während die Ermittlungen gegen ein internationales Netzwerk laufen, verdeutlicht der Fall, wie wenig reguliert und transparent dieses Geschäft weltweit wirklich ist – Deutschland hat bislang keine klare politische Linie dazu, obwohl jede Menge Einzelfälle bestehen. RECHERCHE-ERGÄNZUNG: Aktuelle Diskussionen in deutschen Medien kreisen nicht nur um argentinische Agenturen, sondern auch um das steigende Interesse deutscher Paare an Leihmutterschaft im Ausland. In jüngster Zeit haben sich etwa in Osteuropa, insbesondere in der Ukraine und in Georgien, Leihmutterschaftsprogramme zu beliebten, aber ebenso umstrittenen Alternativen entwickelt. Kritiker warnen vor einer Kommerzialisierung menschlichen Lebens, fehlender Kontrolle und oft prekären wirtschaftlichen Umständen der Leihmütter, während Befürworter auf die Not von kinderlosen Paaren und schwammige Regelungen verweisen (vgl. DIE ZEIT, Süddeutsche Zeitung, taz, 2024). Besonders heftig ist die Debatte vor dem Hintergrund, dass einige Länder – wie Ukraine oder Georgien – infolge politischer und wirtschaftlicher Krisen attraktive Anlaufpunkte für internationale Agenturen werden. In den letzten Tagen äußerten sich zudem mehrere Organisationen für Kinderrechte kritisch zu den Praktiken, die mit der Vermittlung und der rechtlichen Stellung der Kinder einhergehen. Gleichzeitig berichtet zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung über Stimmen aus Politik und Rechtswissenschaft, die endlich eine offene Debatte und klare Regulierungen fordern, um Missbrauch und Grauzonen zu verhindern.

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