Performance-Kunst im Angesicht des Abgrunds: UNNÜTZES LEBEN – Spiegelgrund auf der ARTfair Innsbruck 2025

Innsbruck, Wien, Klagenfurt – Auf der ARTfair Innsbruck 2025 wird vom 24. bis 26. Oktober nicht dekorative Kunst gefeiert, sondern der Abgrund sichtbar gemacht: Mit der Performance "UNNÜTZES LEBEN – DIE KINDER VOM SPIEGELGRUND" durchbricht Alois LUI Gmeiner jede Wohlfühlzone. Schmerzhaft aktuell, radikal konfrontierend – fragt er danach, ob Kunst heute noch Verantwortung tragen darf. Gmeiner, selbst vom Leiden an der Recherche gezeichnet, öffnet eine Tür zu einer Geschichte, die viele lieber zuschlagen würden.

heute 10:50 Uhr | 43 mal gelesen

Die ARTfair Innsbruck 2025 dient drei Tage lang als Bühne für eine ungewöhnlich kompromisslose Auseinandersetzung mit dem Kindes-Massenmord am Wiener "Spiegelgrund" während des Nationalsozialismus. Alois LUI Gmeiner, offenbar alles andere als emotionslos im Arbeitsprozess, stemmt sich mit voller Wucht gegen das Vergessen – sichtbar und spürbar, nicht nur intellektuell. "Ich habe die Unterlagen gelesen, Zeugenberichte, Protokolle – und immer wieder das Handtuch werfen wollen. Das Fratzenhafte dieser Zeit war fast körperlich spürbar", bekennt Gmeiner offen. Seine Kunstinstallation, gefördert von ETHIK PRO AUSTRIA.AT, lässt Besucher:innen nicht los: klinisch-kalte Räume, medizinisches Equipment, Audioaufnahmen von Gerichtsprotokollen – Fiktion und Horror, aber ohne Distanz. Im Zentrum eine Kinderpuppe, die scheinbar medizinisch versorgt und doch in einem Ritual der Ohnmacht getötet wird. Besucher können Teil werden, indem sie sich auf den Sessel der Hilflosigkeit setzen und symbolisch aus dem Hinterhalt "stillgelegt" werden – ein kurzer, maximal intensiver Moment. Untermalt von der Stimme eines Kindes: "Ich bin ein Kind vom Spiegelgrund." Begleitend bebildern künstlerisch verfremdete Fotografien historische und aktuelle Beispiele institutionalisierter Gewalt gegen Kinder. Die Botschaft: Kunst darf nicht kuschen, wenn Wirklichkeit weh tut. Der Verkaufserlös der Werke (zur Hälfte für Kinderhilfsprojekte) will unmittelbare Hilfe bieten, als Akt der überspringenden historischen Verantwortung. Gmeiner gibt sich betont skeptisch, ob Anklage-Kunst auf dem Kunstmarkt einen Platz hat: "Immer öfter merke ich, dass Radikalität nötig ist – auch außerhalb des Ateliers. Sonst bewegt sich nichts." Alles wird für ein Buchprojekt und die Videodokumentation festgehalten – um das Verstummen zu verhindern.

Mit "UNNÜTZES LEBEN – DIE KINDER VOM SPIEGELGRUND" setzt die ARTfair Innsbruck 2025 ein Zeichen gegen das Verdrängen und für das Erinnern – und zwar nicht abstrakt, sondern schmerzhaft direkt. Die Performance von Alois LUI Gmeiner bringt das Grauen der Kindermorde am Wiener Spiegelgrund in bedrückender Aktualität zurück ins Bewusstsein und zieht eine Linie zu gegenwärtigen Fällen von Gewalt und Ausgrenzung von Kindern. Gmeiners persönlicher Einsatz gegen das Vergessen gipfelt in der Überzeugung, dass echte Kunst heute nicht verführen, sondern aufrütteln, sogar überfordern muss – auch im Schatten eines Kunstmarktes, der gern um unangenehme Wahrheiten einen Bogen macht. [Recherche-Ergänzung:] Die historische Aufarbeitung des "Spiegelgrunds" bleibt auch heute noch lückenhaft und umstritten. Laut aktuellen Berichten (u.a. von Spiegel.de und deutschland.de) rückt die Diskussion um NS-Medizinverbrechen und die teils späte oder stockende Ahndung noch weiter in den Fokus: Opferverbände fordern etwa endlich umfassende Gedenkorte und offene Benennungen der Täter – eine Aufgabe, die bis heute nur zögerlich wahrgenommen wird. Gleichzeitig wird von Künstler:innen wie Gmeiner über den bloßen Akt des Gedenkens hinaus die Frage gestellt, wie künstlerische Methoden in Schulen und Öffentlichkeit als Mittel der ethischen Bildung fruchtbar gemacht werden können – und wo die Grenze zwischen Kunstwerk und traumatischer Re-Inszenierung verläuft.

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