Die kommende Ausstellung "PRAYMOBIL. Mittelalterliche Kunst in Bewegung" im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen wirft zum allerersten Mal ein Schlaglicht auf ein fast vergessenes Kapitel der Kunstgeschichte: Skulpturen, die sich im Mittelalter tatsächlich bewegten. Unglaublich? Vielleicht – aber es gab sie wirklich: Statuen, die bluteten, winkten, oder auf fahrbaren Gestellen bewegt wurden, etwa bei Prozessionen oder im religiösen Theaterspiel.
Insgesamt werden circa 80 faszinierende Artefakte aus ganz Europa – von Spanien bis Polen – gezeigt. Sie stehen exemplarisch für jene Zeit, in der Technik (Seil, Scharnier, Kurbel) noch der Magie verdächtigt wurde und Glaubenserfahrung sich auf ganz reale Weise «bewegt» zeigte.
Ein Fenster in eine bewegte Vergangenheit
Ein wenig wie ein mittelalterlicher Vergnügungspark muten manche Stücke an – darunter fahrbare Palmesel-Christi, schwenkbare Kruzifixe und auch figürliche „Sonderanfertigungen“, die bei religiösen Festen für Staunen sorgten. Die Handschrift von Michael Rief (auch bekannt als erfahrener Restaurator), begleitet von Dr. Dagmar Preising und Maria Geuchen, prägt die Ausstellung. Rief selbst hebt hervor, dass es ihm darum ging, "das emotionale und spirituelle Echo solcher Figuren sichtbar zu machen" – damals wie heute.
Zugleich überrascht, mit welcher handwerklichen Raffinesse und trickreicher Mechanik damalige Künstler arbeiteten – noch heute funktionieren einige der alten Scharniere. Interessant: Nicht jedes inszenierte Wunder war göttlich, manche waren geschickt vorbereitetes Handwerk fürs Publikum.
Andere Sichtweise – weg vom Klerus, hin zur Bevölkerung
Statt goldener Monstranzen und kunstvoller Altarbilder geht es diesmal um Skulpturen, die „auf der Straße“ beim Volk wirkten. Museumsdirektor Till-Holger Borchert unterstreicht: Das Wortspiel PRAYMOBIL sei bewusst gewählt – als Einladung, diese beweglichen Glaubensakteure neu zu entdecken.
Fun-Fact: In Aachen lebt mit dem "Streuengelchen"-Brauch eine kleine Tradition dieser bewegten Sakralfiguren bis heute fort – da wird zum Fest ein Engelchen mechanisch animiert und wirft Süßwaren auf die Menge.
Wer sollte sich das anschauen?
Familien, Geschichtsnerds, Kunstfreund*innen, einfach alle wirklich. Die Ausstellung will Barrieren abbauen und mit Workshops, Führungen oder Performances ganz praktisch und anschaulich das Mittelalter (im wahrsten Sinne) „beweglich machen“. Daneben gibt es genug wissenschaftliche Tiefe und seltene ,Leckerbissen‘ für Expert*innen.
Hintergrund, Termine, Förderung
Eröffnung: 28. November 2025 abends in der Aachener Kirche St. Adalbert. Pressekonferenz: 27. November 2025, 12:30 Uhr direkt im Museum.
Neben klassischen Geldgebern wie der Ludwig Stiftung oder der Ernst von Siemens Kunststiftung engagieren sich auch zahlreiche regionale Partner – eine echte Gemeinschaftsproduktion der Kulturförderung.
Wer tiefer einsteigen will: Booklet und Bilder gibt es zum Download.
Pressekontakt? Einfach eine Mail an Barbara Heine.
Die Ausstellung 'PRAYMOBIL' ist mehr als eine klassische Kunstschau – sie ist ein Experimentierfeld für alte und neue Formen der Interaktion von Glauben, Technik und Mensch. Dabei wird deutlich, wie sehr mittelalterliche Mechanik und Performancekunst das sakrale Erleben prägten, zumal bewegliche Figuren nicht nur im Sakralraum, sondern auch in der Volkskultur eine große Rolle spielten. Überraschend ist, dass sich einige dieser Traditionen – wie das 'Streuengelchen' – in Aachen bis heute erhalten haben und damit Fragen aufwerfen, wie moderne Menschen Beweglichkeit, Wunder und Gemeinschaft erleben. Durch zusätzliche Recherchen zeigt sich: Die Wertschätzung für bewegliche Skulpturen im Mittelalter wächst auch im internationalen Vergleich (siehe aktuelle Ausstellungen in Frankreich und Spanien, die diesen Aspekt der Glaubenswelt erstmals explizit thematisieren). Die Mechanisierung von religiösen Darstellungen war häufig ein Mittel, sinnliche Erfahrung und kollektive Beteiligung zu fördern – eine Tradition, die in moderner Museumsdidaktik, etwa durch interaktive Angebote, fortlebt. Darüber hinaus diskutieren aktuelle Artikel die Rolle von Mechanik in der Kunstvermittlung und in der Populärkultur (z.B. animatronische Figuren in Freizeitparks), wodurch das Thema von 'PRAYMOBIL' auch für ein Publikum interessant wird, die sich sonst vielleicht weniger für Mittelalter-Ausstellungen begeistern.