Spastik nach Schlaganfall – ein lösbares Problem

Gütersloh – Jährlich trifft es knapp 270.000 Menschen in Deutschland: Ein Schlaganfall verändert das Leben – oft dauerhaft. Eine der gravierendsten Spätfolgen ist die Spastik, eine quälende Muskelverkrampfung, die das alltägliche Leben erheblich einschränkt. Obwohl es heute wirkungsvolle Therapien gibt, erhalten viele Betroffene keine ausreichende Unterstützung. Darauf möchte die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe rund um den Welt-Schlaganfalltag am 29. Oktober aufmerksam machen – mit dem klaren Aufruf: 'Spastik ist kein unabänderliches Schicksal!'

heute 09:18 Uhr | 39 mal gelesen

Langsame Entwicklung, große Folgen

Nach einem Schlaganfall sortiert sich im Gehirn vieles neu – allerdings nicht immer zum Guten. Spastik lauert manchmal im Hintergrund und meldet sich erst etliche Wochen oder Monate nach dem eigentlichen Ereignis. Die Symptome schleichen sich ein: verkrampfte, schmerzende Muskeln, die Bewegungsfreiheit schrumpft. Wird nichts unternommen, können die Muskeln so starr werden, dass sie sich verkürzen; Gelenke versteifen und Körperhaltungen wirken irgendwann wie eingefroren. Schon mal versucht, mit ständig angespannten Muskeln eine Tasse zu greifen? Für viele Betroffene Alltag und Kraftprobe zugleich.

Versorgung weiterhin mit deutlichen Lücken

Eine bundesweite Befragung brachte es jüngst ans Licht: Fast jeder zweite Schlaganfall-Betroffene leidet an Spastik, meist mit Bewegungseinschränkungen oder Schmerzen. Und, daran lässt sich kaum schönreden, viele fühlen sich mit ihren Beschwerden ziemlich allein gelassen. Die aktuellen Behandlungsleitlinien erreichen offenbar nicht die Mehrheit der Patienten; zu oft werden moderne Therapieansätze nicht umgesetzt und der Austausch zwischen Ärztinnen, Therapeuten und Sanitätshäusern hakt.

Therapien: Kombination macht den Unterschied

Die gute Nachricht: Spastik ist heute medizinisch beherrschbar. Medikamente, Bewegungs- und Ergotherapie, sorgfältig abgestimmte Hilfsmittel – die Mischung bringt oft die beste Erleichterung fürs tägliche Leben. Ein bisschen Nachholbedarf gibt es allerdings noch beim Wissen über diese Möglichkeiten, sowohl bei Betroffenen als auch im Gesundheitssystem insgesamt. Erst dieses Jahr gingen die Behandlungsleitlinien komplett überarbeitet wieder an den Start. Doch der Weg bis zur flächendeckenden Umsetzung ist steinig.

Nur Expertinnen und Experten an die Front!

„Immer noch sind Betroffene mangelhafte Information und fehlende Abstimmung zwischen den Beteiligten gewohnt“, erklärt Anna Engel, erfahrene Physiotherapeutin und Gesundheitswissenschaftlerin. Ihr Rat ist pragmatisch: Im Zweifel eine neurologische Fachpraxis aufsuchen und gezielt nach spastik-erprobten Therapeutinnen fragen. Nur so können individuelle Schritte zur Besserung eingeleitet werden. Die Zusammenarbeit mit kompetenten Sanitätshäusern (über 30 davon sind dediziert geschult) kann ebenfalls helfen, den Alltag zurückzugewinnen.

Hilfe zur Selbsthilfe: Neuer Ratgeber und Beratungshotline

Am Welt-Schlaganfalltag stellt die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe einen neuen, kostenfreien Ratgeber rund ums Thema Spastik vor. Ergänzend beantwortet ein Experten-Team Fragen telefonisch – Raum für Sorgen, Nachfragen und Mutmachen. Informationen und weitere Termine sind abrufbar unter: www.schlaganfall.de.

Langfristige Spastik ist für viele Schlaganfall-Betroffene mehr als nur ein Nebenschauplatz – sie prägt den Alltag und kann zu massiven Bewegungseinschränkungen führen. Trotz moderner Therapiemöglichkeiten und überarbeiteter Behandlungsleitlinien sind Versorgungslücken groß, gerade was die Vernetzung zwischen Fachärzten, Therapeuten und der Versorgung mit Hilfsmitteln betrifft. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe setzt hier an: Mit Aufklärung, praktischer Unterstützung und bundesweit geschulten Sanitätshäusern will sie mit dem Vorurteil aufräumen, Spastik sei eine unausweichliche Folgeerscheinung. Weitere aktuelle Entwicklungen zeigen, dass Telemedizin zunehmend an Bedeutung gewinnt, und digitale Tools wie Apps und Videosprechstunden Schlaganfall-Patienten bei der Nachsorge unterstützen können. Internationale Studien unterstreichen, dass auch innovative medikamentöse Ansätze, wie Botulinumtoxin-Behandlungen, kombiniert mit intensiver Physiotherapie, die Lebensqualität deutlich verbessern. Im Gesundheitswesen wird zudem der Ruf nach mehr interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Neurologen, Rehabilitationsexperten und Orthopädietechnikern immer lauter, um den Versorgungsnotstand dauerhaft zu beheben.

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