Wagenknecht: Die Brandmauer verstärkt nur das Feuer

Die BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hält die politische Isolierung der AfD für gescheitert – mit fatalen Folgen. Ihre Kritik an der sogenannten Brandmauer sorgt für offene Debatten.

heute 15:17 Uhr | 28 mal gelesen

Schon wieder nimmt Sahra Wagenknecht kein Blatt vor den Mund: In einem Essay für die „Welt“ kritisiert sie scharf die Strategie der übrigen Parteien, die AfD systematisch auszugrenzen. Für sie ist klar: Die Brandmauer schützt nicht, sondern zündet erst recht an. „Was hat die Brandmauer gebracht?“, fragt sie provokant. Dass gerade diese Abschottung zur Stärkung der AfD beigetragen hat, hält sie für offensichtlich. Wagenknecht fühlt sich an den „antifaschistischen Schutzwall“ der DDR erinnert – ein Vergleich, bei dem man kurz stocken muss, aber: So deutlich spricht sonst selten jemand. Sie sieht in den aktuellen Koalitionen einen Murks: Anstatt politischer Einigkeit regieren Zweckbündnisse, die kaum handlungsfähig sind. Dadurch würden die Wähler enttäuscht und suchten ihre Zuflucht ausgerechnet bei der AfD. "Für die AfD war die Brandmauer ein Geschenk", resümiert sie trocken – da klingt schon etwas Frust mit. Rückblickend kritisiert Wagenknecht auch ihre eigene Partei: Die Entscheidung, in Thüringen eine Anti-AfD-Regierung zu stützen, sei ein Anfängerfehler gewesen. Man habe gelernt; künftige BSW-Beteiligungen an solchen Koalitionen schließt sie aus. Stattdessen schlägt sie ein radikal anderes Konzept vor: Expertenregierungen, in denen Fachleute und nicht mehr ausgebrannte Parteikader das Sagen haben. Ein ziemlich unkonventioneller Vorschlag – wenngleich die Umsetzung in Deutschland nach wie vor fraglich scheint.

Wagenknecht legt in ihrem Gastbeitrag den Finger in eine offene Wunde der deutschen Politik: Die Abgrenzungsstrategie gegen die AfD scheint, zumindest aus ihrer Sicht, nach hinten losgegangen zu sein. Das Bild der „Brandmauer“ ist für sie nicht nur wirkungslos, sondern sogar gefährlich – eine These, die innerhalb und außerhalb des BSW heftig diskutiert wird. Neu ist dabei ihre Forderung nach Expertenregierungen – ein Modell, das zwar immer wieder in Krisenzeiten als Allheilmittel gehandelt wird, sich aber mit den bisherigen parteipolitischen Strukturen schwer vereinbaren lässt. Die gesellschaftliche Debatte darum wird gerade durch die jüngsten Umfragen zur AfD und die Unsicherheiten in der politischen Mitte wieder befeuert. Laut aktuellen Berichten verschiedener Medien (u.a. SZ, Zeit, FAZ) mehren sich Stimmen, die nach neuen Wegen gegen den Rechtspopulismus suchen. Auffällig ist, dass nicht nur die Strategie, sondern auch die Begrifflichkeit der „Brandmauer“ zunehmend auf Skepsis trifft. Kurz gesagt: Die Frage, wie man einer immer stärkeren AfD politisch begegnet, bleibt aktueller denn je – und einfache Antworten suchen offenbar alle vergeblich.

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