Die aktuelle Veröffentlichung bringt wissenschaftliche Analysen und Erfahrungen aus der Praxis rund um Kita, Schule und Beratung zusammen. Sie macht greifbar, wie sich ungleiche Strukturen direkt auf Lebensgeschichten von Kindern auswirken – manchmal immer wieder auf verblüffend ähnliche Weise. Gleichzeitig liefert der Sammelband Handlungsoptionen, wo im Bildungssystem nachgebessert werden sollte. Was neu ist: Hier wird Begabungsgerechtigkeit als integraler Bestandteil von Bildungsgerechtigkeit verstanden. Die Impulse daraus richten sich nicht nur an Experten, sondern auch an Lehrkräfte, Erzieherinnen und Eltern, die sich für faire Entwicklungsmöglichkeiten interessieren. Ursprünglich gingen viele der Ideen aus einer Blogserie der Karg-Stiftung hervor, in die sich Stimmen aus Forschung und Praxis eingebracht haben. Nun liegen diese erstmals gebündelt und erweitert vor.
"Ein gerechtes, wirklich inklusives – und damit auch begabungsgerechtes – Schulsystem ist eine Art Damm gegen gesellschaftliche Ungleichheit", sagt Dr. Claudia Pauly, die die Neuerscheinung herausgegeben hat.
Hintergrund: Unter Begabungsgerechtigkeit versteht man, dass Kinder und Jugendliche – unabhängig von sozialem Status, Geschlecht oder Gesundheit – ihre individuellen Talente finden und entfalten dürfen. Das klingt schön, klappt aber in der Realität eher so mittel. Manche Talente werden übersehen, weil die Eltern keine Unterstützung bekommen oder weil Klischees Talentsuche verzerren. Haut man Vorurteile noch drauf oder lässt Erwartungen ihren Lauf, geraten junge Menschen ins Hintertreffen. Die Publikation spürt nach, wie solche Mechanismen funktionieren, warum sie gefährlich sind – und warum es höchste Zeit ist, jedes Kind mit seinen Fähigkeiten ernst zu nehmen.
Letztlich geht es darum: Talente zu fördern ist kein Hobby für Eliten, sondern eine Grundvoraussetzung für echte Chancengleichheit. Das sieht auch die Karg-Stiftung so, die sich seit Jahren stark macht – von Kindergärten bis zur Lehrerfortbildung. Übersieht man begabte Kinder, werden faire Entwicklungsmöglichkeiten zur Fata Morgana. Der Sammelband versammelt deshalb Wege und Inspirationen für alle, die Schule, Kita oder Beratung verändern wollen – und das mit vielen Beispielen, die nicht im Theorieraum verharren.
Im Mittelpunkt der elf Beiträge stehen Fragen wie: Welche Belastungen treffen besonders begabte Kinder aus ärmeren Familien? Wie beeinflussen Rollenzuschreibungen und der sogenannte Adultismus, also eine systematische Geringschätzung der Jüngeren, deren Möglichkeiten? Welche Rolle spielt Schulentwicklung dabei – und was passiert, wenn Begabungen komplett unsichtbar bleiben? Die Antworten sind nicht immer einfach, zeigen aber, dass Neujustierungen dringend nötig sind.
Noch ein paar Worte zur Stiftung: Die Karg-Stiftung setzt sich schon seit Jahrzehnten für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit hoher Begabung ein – und zwar in Kitas, Schulen und über Beratung. Ziel bleibt ein Bildungssystem, das Vielfalt an Potenzialen ernst nimmt und gezielt ausbaut. Dafür sorgt sie mit eigenen Vorhaben, Infomaterial und Netzwerken zwischen Fachleuten – von Fachkräften aus dem pädagogischen Bereich bis hin zu Wissenschaft und Politik. Gegründet wurde die Stiftung übrigens 1989 von Adelheid und Hans-Georg Karg.
Der Open-Access-Sammelband der Karg-Stiftung "Was ist fair? Begabungsgerechtigkeit auf dem Prüfstand" widmet sich ganz dem drängenden Thema, wie Talente im deutschen Bildungssystem oft durch soziale Benachteiligung übersehen werden. Wissenschaftliche Beiträge und Praxisberichte zeigen eindrücklich, an welchen Hürden Kinder und Jugendliche mit besonderen Begabungen – vor allem aus einkommensschwachen Familien – scheitern können: Strukturelle Benachteiligung, vorgefasste Meinungen von Erwachsenen (Adultismus), stereotype Erwartungen und mangelnde Förderung führen dazu, dass Potenziale systematisch verstreut bleiben. Die Sammlung versteht Begabungsgerechtigkeit als Teil umfassender Bildungsgerechtigkeit und will den Diskurs und die Praxis verändern, um Bedingungen zu schaffen, in denen wirklich alle Jugendlichen ihre Fähigkeiten entwickeln können – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sozialer Lage.
Weitere Recherchen zeigen, dass das Thema Begabungsgerechtigkeit in den letzten Tagen verstärkt Debatten angestoßen hat, besonders angesichts des wachsenden Bedarfs an Chancengleichheit im Bildungssystem sowie der Notwendigkeit inklusiverer Maßnahmen. Diskutiert wird zudem, wie politische Weichenstellungen und Reformen (etwa nach Veröffentlichung aktueller Bildungsberichte) ansetzen müssten, um verdeckte Talente sichtbar und förderbar zu machen. Auffällig ist, dass die Forderungen nach einer besseren Identifikation und Unterstützung begabter Kinder aus benachteiligten Umfeldern inzwischen bis in bundespolitische Diskussionen reichen, aber die praktische Umsetzung weiter stockt.