Vor gut zweieinhalb Jahren hat das deutsche Parlament ein neues Gesetz verabschiedet. Es zwingt die Krankenkassen dazu, sich bei der Auftragsvergabe für Antibiotika möglichst an europäische Hersteller zu halten – zumindest in der Theorie. Praktisch hat sich wenig bewegt: Laut einer Recherche der 'Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung' ist seither weder eine neue Produktionsstätte in der EU entstanden, noch haben sich existierende Kapazitäten nennenswert vergrößert. Es scheint fast, als hielte das Gesetz die Hersteller nicht davon ab, weiterhin wie gehabt außerhalb Europas zu produzieren.
Das eigentliche Problem: Für viele Antibiotikawirkstoffe finden die Kassen überhaupt keinen Anbieter innerhalb der EU – von Umbau der Lieferketten ganz zu schweigen. Knapp die Hälfte der nötigen Mittel stammt nach wie vor aus asiatischen Fabriken, darunter auch viele Medikamente, die Ärzt:innen am häufgsten verschreiben. Mit anderen Worten: Die alten Abhängigkeiten bleiben bestehen.
Das Bundesgesundheitsministerium, das noch unter Leitung von Karl Lauterbach das Lieferengpass-Gesetz auf den Weg brachte, plant nun immerhin eine Bilanz: Ende des Jahres soll evaluiert werden, ob und wie das Gesetz wirkt.
Eine erste Bilanz ist jedoch schon jetzt ernüchternd. Die Anzahl der gemeldeten Engpässe ist laut Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte kaum gesunken – sie pendelt aktuell bei über 550 verschiedenen Arzneimitteln. Laut Anke Rüdinger vom Deutschen Apothekerverband betrifft das 'das komplette Sortiment'. Ihre Aussicht auf den Winter klingt wenig optimistisch: Sollten noch mehr Antibiotika fehlen, könnten Versorgungsengpässe dramatische Folgen haben. Aber: Vielleicht ist die Politik jetzt gezwungen, über mutigere Schritte nachzudenken. Vielleicht.
Der Versuch, Deutschlands Abhängigkeit bei Antibiotika-Importen einzudämmen, ist bislang ernüchternd verlaufen. Trotz Gesetzesänderung zum Vorteil europäischer Hersteller gibt es kaum Verlagerungen von Produktionen zurück auf den Kontinent. Weder wurde damit die Zahl der Arzneimittel-Lieferengpässe merklich gesenkt, noch gelang es den Kassen, für gängige Antibiotika ausreichend EU-Anbieter zu finden – was die bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse zementiert. Währenddessen warnen Apothekerverbände vor weiteren Engpässen, die vor allem in den Wintermonaten kritisch werden könnten – ein Risiko auch für die öffentliche Gesundheit.
Aktuelle Artikel: Mehrere Leitmedien berichten weiterhin fast täglich über die wachsenden Herausforderungen bei Arzneimittel-Lieferungen in Deutschland. Jüngst meldeten die "Süddeutsche Zeitung" und "Der Spiegel", dass neben Antibiotika auch andere wichtige Medikamente wie Insuline oder Krebstherapeutika immer schwerer lieferbar sind. Die Politik sucht offenbar noch nach wirksamen Hebeln – diskutiert werden unter anderem staatliche Förderprogramme für europäische Wirkstoffhersteller, aber auch umfassendere Anpassungen im Beschaffungs- und Patentrecht.